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Berlin, den 15. Juli 2020. Im Vorfeld der Veröffentlichung des Positionspapiers „Bezahlbar, flexibel, verständlich: Vorschläge zur Reform der kapitalgedeckten Altersvorsorge“ hat Prof. Dr. Susanne Knorre, Vizepräsidentin des Wirtschaftsforums der SPD e.V., mit „Vorwärts“ unter anderem über eine Runderneuerung der Reiser-Rente gesprochen.

Die Zahl der Riester-Renten-Verträge nimmt seit einiger Zeit ab. Jeder fünfte Vertrag ist zudem ruhend gestellt; es werden also keine Beiträge gezahlt. Macht Ihnen diese Entwicklung Sorge?

Knorre: „Wenn man berücksichtigt, dass es sich um eine rein freiwilliges Produkt handelt, sind 16 Millionen bestehende Riester-Verträge erst einmal durchaus ein Erfolg. Das ist auch notwendig, denn eine zukunftsfähige Altersvorsorge umfasst neben der gesetzlichen, umlagefinanzierte Rente zwei weitere, kapitalgedeckte Säulen, nämlich die betriebliche und die private Altersvorsorge. Tatsächlich aber braucht letztere einen neuen Schub, damit sie weiterhin ihre wichtige Rolle im System der Altersvorsorge spielen kann.“

Die Verbraucherzentralen raten von Riester-Neuabschlüssen ab, da die angebotenen Produkte häufig zu teuer seien und Kunden zu geringe Renditen erzielten, um damit ausreichend fürs Alter vorzusorgen. Teilen Sie die Kritik?

Knorre: „Wenn ein Produkt vom Kunden nicht ausreichend angenommen wird, löst das immer Handlungsbedarf aus. Das gilt auch für die Riester-Rente. Darüber sind sich nahezu alle Beteiligten einig. Nur wie das so ist mit grundsätzlicher Einigkeit: Der Teufel liegt im Detail. Warum sind Riester-Produkte zum Beispiel relativ teuer? Ein Grund ist zweifelsohne die vorgeschriebene hundertprozentige Kapitalerhaltsgarantie. Wenn man die aber flexibler gestaltet, wie wir das empfehlen, dann muss gleichzeitig gewährleistet sein, dass die individuellen Sicherheitsbedürfnisse nicht vernachlässigt werden. Eine andere wichtige Stellschraube ist, die Förderung zu vereinfachen und zu automatisieren. Aktuell sorgen die aufwendigen und fehleranfälligen Zulagenanträge nicht nur für Frust und Unverständnis, sondern treiben auch die Verwaltungskosten unnötig in die Höhe.“

In einem Positionspapier, das am Mittwoch veröffentlicht werden soll, empfiehlt das SPD-Wirtschaftsforum trotzdem, an der bestehenden Riester-Rente festzuhalten. Warum?

Knorre: „Eigentlich kann man es ganz einfach sagen: Never change a running system! Selbst dann nicht, wenn es nicht mehr so ganz auf dem neusten Stand ist. Der Grundgedanke einer geförderten kapitaldeckten Altersvorsorge, die insbesondere Sparer*innen mit niedrigen und mittleren Einkommen unterstützt, bleibt ja richtig. Außerdem braucht es Vertrauen in die langfristige Zuverlässigkeit der Altersvorsorge. Dem schaden wir, wenn wir alle paar Jahre eine politische Kehrtwende machen. Wir setzen auf eine Nachjustierung, die sowohl die Anforderungen an die Produkte als auch deren Förderung umfasst. Dabei sollte es aber nicht nur um kleine Reparaturarbeiten gehen, sondern um eine Runderneuerung.“

Um für mehr Klarheit bei den Sparer*innen zu sorgen und so auch die Akzeptanz zu erhöhen, plädieren Sie – ähnlich wie die SPD-Bundestagsfraktion – für ein „attraktives Standardprodukt der kapitalgedeckten Altersvorsorge“. Wie sollte das aussehen?

Knorre: „Ja, das ist gut, dass sich vieles auf das Standardprodukt konzentriert. Das muss zunächst einmal einfach und verständlich sein, sonst gibt es von vornherein keine Chance auf eine hohe Verbreitung. Es sollte aber zugleich bezahlbar und nicht zuletzt flexibel sein. Flexibilität meint dabei vor allem, dass das kapitalgedeckte Altersvorsorgeprodukt mitgenommen werden kann, ganz gleich wo und wie man sein Geld verdient. Gerade die Corona-Krise hat uns gezeigt, dass wie schnell sich nicht nur Arbeitsformen ändern, sondern ganze Beschäftigungsmodelle und damit auch die Erwerbsbiografien. Und natürlich sehen wir leider auch, dass viele Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren oder wechseln müssen. Da muss das Produkt sich der geänderten Situation anpassen können, sodass die Ansparphase nicht unterbrochen werden muss. Hier ist aus unserer Sicht schon vor dem Hintergrund der unsicheren Konjunkturprognosen dringender Handlungsbedarf, damit auch bestehende Riester-Verträge und deren Förderung entsprechend flexibilisiert werden können.“

Zurzeit sind wegen Corona Millionen Menschen in Kurzarbeit. Die Aktienmärkte reagieren hingegen erstaunlich robust auf die Krise. Wie sind die Aussichten für die kapitalgedeckte Altersvorsorge?

Knorre: „Aktienbasierte Altersvorsorge ist in vielen Fällen eine attraktive Option. Sie lässt – wie jetzt auch – überdurchschnittliche Renditen erwarten. Aber Corona hat eben auch gezeigt, wie volatil unsere gesamte Umwelt geworden ist und Aktienmärkte bilden diese Volatilität ab. Wichtig ist aber auch, zwischen kurzfristiger Volatilität und langfristigem Risiko zu unterscheiden. Über die lange Ansparphase, die gerade für die Altersvorsorge typisch ist, werden viele Wertschwankungen ausgeglichen. Es muss eine Balance zwischen Rendite und Sicherheit gefunden werden, wenn es um die Festlegung der Anforderungen an ein Standardprodukt geht. Schaut auf die Entwicklung hin zu Negativzinsen auch auf private Spareinlagen, dann wird auch klar: Ohne einen Anteil an Aktien kommt kaum jemand aus, der rentabel für das Alter sparen will.“

Die Rentenkommission der Bundesregierung hat angeregt, dass auch der Staat gemeinsam mit öffentlichen Trägern ein eigenes Produkt für die private Altersvorsorge anbieten könnte. Was halten Sie davon?

Knorre: „Diese Empfehlung haben wir natürlich auch diskutiert und sicher gibt es dafür einige gute Argumente. Wir sehen den pragmatischeren Weg allerdings darin, dass die Anforderungen an ein Standardprodukt für die kapitalgedeckte Altersvorsorge vom Staat festzulegen sind, die Produkte selbst aber privatwirtschaftlich zu organisieren sind. Wir haben leistungsfähige Anbieter, die zeigen können und nach unserem Eindruck auch wollen, dass hier im Sinne der leistungsfähigen Altersvorsorge Bewegung in den Markt kommt.“

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