Industriestrompreis: Irrweg oder Notwendigkeit? Marcel Fratzscher und Jens Südekum im Gespräch mit Matthias Machnig
Seit Monaten wird über die Einführung eines Industriestrompreises für besonders unter den gestiegenen Energiepreisen leidende Unternehmen diskutiert. Das Wirtschaftsforum der SPD hatte sich bereits im Sommer 2022 dafür ausgesprochen. Nach der kürzlich erfolgten Positionierung von Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck zugunsten eines wettbewerbsfähigen Industriestrompreises geht die Auseinandersetzung darüber nun auch innerhalb der Ampelkoalition weiter. In einem „Streitgespräch“ für den Blog politische Ökonmie hat Verbandsvizepräsident Matthias Machnig die unterschiedlichen Positionen zusammen mit den renommierten Wirtschaftswissenschaftlern Prof. Marcel Fratzscher, Ph.D., Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V., und Prof. Dr. Jens Südekum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, herausgearbeitet.
So hält Marcel Fratzscher den Industriestrompreis für ein falsches und schädliches Instrument hält und sieht darin die Gefahr, dass alte Strukturen zementiert und die ökologische und digitale Transformation verzögert werden könnten. „Es ist ein völliger Irrweg, Strom zu subventionieren, weil es eben nicht per se bedeutet, dass die Investitionen in neue Technologien und Innovationen stattfinden. Es ist das falsche Instrument, über einen gedeckelten Strompreis zu versuchen, die Transformation voranzubringen. Der richtige und viel effizientere Weg ist, (…) private Investitionen in neue Technologien, neue Produktionsprozesse und in Elektrifizierung zu fördern. (…) Das machen übrigens auch die Amerikaner. Die stellen nicht einfach billige Energie zur Verfügung, sondern fördern gezielt Produktion in Richtung grüner Technologien“, so Marcel Fatzscher.
Dagegen sieht Jens Südekum den Industriestrompreis als Beschleuniger für die Transformation. Ohne klare Rahmenbedingungen würden viele Investitionen in die Transformation nicht stattfinden. „Es geht darum, industriepolitische Instrumente einzusetzen, die dafür sorgen, dass die Transformation in Richtung Klimaneutralität und Digitalisierung am Standort Europa stattfindet und nicht irgendwo anders. (…) Es geht wirklich nicht darum, Industriepolitik des alten Stils zu fahren, also Subventionen einzusetzen, um den Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet noch irgendwie am Leben zu erhalten. So war Industriepolitik früher, darüber redet aber wirklich niemand mehr“, macht Südekum deutlich. Vielmehr bedeute Transformation in der Industrie einen Prozess der Elektrifizierung. Das Ziel von 80 Prozent grünem Strom bis 2030 und eine komplette Dekarbonisierung der Industrie bis 2045 könne nur durch eine Elektrifizierung gehen. „Insofern beschleunigt doch der Industriestrompreis diese Transformation. Warum? Weil er die Rahmenbedingungen für Investitionsentscheidungen verändert. Und (diese Investitionen) finden nicht statt, wenn Unsicherheit über das Geschäftsmodell existiert“, ist Südekum sicher.
Das vollständige Interview ist hier abrufbar.