• Wirtschaftskonferenz 2023: Strom, Infrastruktur, LNG-Tempo

25.04.2023

Die richtigen Rahmenbedingungen am Standort, eine investitionsfreundliche Finanzpolitik und moderne Infrastrukturen waren zentrale Themen der diesjährigen Wirtschaftskonferenz des SPD-Wirtschaftsforums in Berlin. Sprecher und Impulsgeber waren der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil, Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing.

Die Umstellung auf Treibhausgasneutralität bis 2045 nannte Verbandspräsidentin Prof. Dr. Ines Zenke in ihrer Eröffnung die größte Herausforderung der Nachkriegszeit. Deren Gelingen hänge entscheidend von guten Rahmenbedingungen ab. „Wir wollen eine starke Wirtschaft in unserem Land. Und wir brauchen diese starke Wirtschaft“, sagte Zenke. Sie thematisierte den US Inflation Reduction Act (IRA) und nannte ihn eine Chance für Deutschland und Europa. „Wenn auch wir unsere Hausaufgaben machen – schneller handeln, entscheiden, planen, genehmigen, bauen –, dann können wir uns gegenseitig stärken. Was sich wiederum nebenbei ideal in unsere geopolitische Neuausrichtung einfügt.“

In seinem Grußwort hob der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil hervor, es sei ein Erfolg gewesen, dass sich Deutschland innerhalb eines Jahres von Russland unabhängig gemacht habe. Das sollte Zuversicht geben. Gleichzeitig bedürfe es aber auch einer realistischen Analyse der Herausforderungen und der Gefahren für den Wirtschaftsstandort. „Wirtschaftliche Stärke hat man nicht auf Dauer gepachtet. Sie ist nicht gottgegeben.“ Er mahnte vielmehr: „Wir müssen das Beihilferecht anpassen, wir brauchen einen Industriestrompreis und die modernste Infrastruktur, wir müssen privates Kapital stimulieren und den Fachkräftemangel bekämpfen. Es gibt keine Ausreden mehr.“ Eine starke Industrie sei der Grundpfeiler dafür, dass die Arbeitsplätze der Zukunft in Deutschland geschaffen würden.

Fragmentierter europäischer Kapitalmarkt als Wettbewerbsnachteil
Ähnlich äußerte sich Bundesfinanzminister Christian Lindner in seiner wirtschaftspolitischen Rede auf der Konferenz. Ohne ein stabiles wirtschaftliches Fundament seien alle sozialen Ziele Wunschdenken; am Ende müsse die materielle Basis stimmen. „Nur eine Gesellschaft, die auf Wachstum setzt, ist sozialgerecht.“ Er griff den Titel der Wirtschaftskonferenz „Stärken, investieren, beschleunigen“ auf und mahnte schnelle Genehmigungsverfahren und Technologieoffenheit an: „Nur selten höre ich vom Privatsektor, es würden noch mehr Fördertöpfe gebraucht. Oft genug fehlt das grüne Licht. Entscheidungen über Technologien sollte nicht die Politik treffen, sondern jene, die über Investments entscheiden und diese managen.“ Mit Blick auf den IRA führte er als wesentlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA nicht die Investitionshöhe, sondern den fragmentierten europäischen Kapitalmarkt an. Dieser stelle private Investitionen nicht in ausreichender Höhe bereit. „Wir brauchen weitere ambitionierte Schritte in Richtung eines integrierten europäischen Kapitalmarktes“, so Bundesfinanzminister Lindner.

In seinem Impuls sprach Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing über die großen Herausforderungen in der Infrastruktur: „Wir brauchen Verkehrsverlagerung. Wir müssen so viel wie möglich auf die Schiene verlagern. Doch dafür braucht es ein leistungsfähiges Netz und sofortige Hochleistungskorridorsanierung.“

Im Rahmen der Wirtschaftskonferenz diskutierten drei Panels die Finanzierung der Transformation, die Zukunft des Geschäftsmodells Deutschland und die Erfordernisse zukunftsfähiger Infrastrukturen.  Damit Projekte überhaupt realisiert werden können, brauche es die richtigen Rahmenbedingungen und Investitionsanreize, stimmten Finanzstaatssekretär Werner Gatzer, Heike Freimuth, Leiterin des Berliner Büros der Europäischen Investitionsbank, Melanie Kreis, Mitglied des Vorstands, Deutsche Post DHL Group, und Verbandsvizepräsidentin Prof. Dr. Susanne Knorre überein. Dabei werde es immer stärker auf öffentliche Förderbanken wie die Europäische Investitionsbank ankommen, die mehr als die Hälfte ihrer Investitionen in den Kampf gegen die Klimakrise stecken wolle, wie Heike Freimuth erläuterte. Auch bei Unternehmen wie der Deutschen Post tue sich viel. Entscheidend auch hier, so Melanie Kreis, die Rahmenbedingungen müssten stimmen, damit der Flottenbestand so schnell wie möglich emissionsärmer werde. Den hohen bürokratischen Aufwand bei der Abrufung öffentlicher Gelder bemängelte Werner Gatzer. Dazu kommt aus Sicht von Susanne Knorre die EU-Taxonomie, die den Mittelstand behindere und die Transformation erschwere.

Deutschlands Geschäftsmodell zukunftsfähig?
Angesichts der Umbrüche in der Weltwirtschaft fragte das zweite Panel, wie zukunftsfähig das Geschäftsmodell Deutschland ist. Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin, BDI e.V., Dr. Marianne Janik, Vorsitzende der Geschäftsführung, Microsoft Deutschland GmbH, Staatssekretär Dr. Jörg Kukies und Vizepräsident Matthias Machnig waren sich schnell einig: Klimapolitik und Beschäftigungspolitik müssen Hand in Hand gehen. Eher optimistisch auf die Zukunft des Standorts Deutschland blicken Tanja Gönner und Marianne Janik, gerade auch angesichts der jüngsten Eindrücke von der Hannover Messe. Deutlich zurückhaltender bewertete Matthias Machnig die Lage und verwies auf schwache Wachstumsprognosen, eine schwache Investitionsquote und den Fachkräftemangel. Jörg Kukies dagegen sieht Deutschland auf dem richtigen Weg, auch wenn noch deutlich mehr getan werden müsse.

„Modernste Infrastrukturen braucht das Land!“ lautete der Titel des letzten Panels. Wie weit Deutschland davon gerade im Schienen- und Straßenverkehr noch entfernt ist, machten

Frank Huster, Hauptgeschäftsführer, DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e.V., Dr. Sigrid Nikutta, Vorstandsvorsitzende, DB Cargo AG, Johanna Uekermann, Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Verbandsschatzmeister Heiko Kretschmer deutlich. Auf die entscheidende Rolle der Schiene hob nicht nur Sigrid Nikutta ab, die zudem mahnte, unser Konsum- und Investitionsmodell insgesamt kritisch zu überdenken.

Was erforderlich ist, um Deutschlands Wirtschaft voranzubringen, stellt das SPD-Wirtschaftsforum in zwei aktuellen Positionspapieren dar: Unter der Überschrift „Europe first?“ wird eine europäische Antwort auf den IRA skizziert. Das Strategiepapier „Standort stärken, Investitionen und Innovationen fördern, Selbstblockaden lösen“ fordert Maßnahmen wie einen Industriestrompreis in Höhe von 5-7 Cent/ kWh ebenso wie die Einsicht, Investitionskosten (CapEx) ebenso wie Betriebsausgaben (OpEx) zu fördern.