• Hearings zum IRA:
    Einschätzungen der Kommunalpolitik

Der Inflation Reduction Act (IRA) läutet eine neue Ära der Industriepolitik ein. Mit Blick auf das Klima und die Transformation hin zur Dekarbonisierung bedeutet er eine starke Ansage. Zugleich verdeutlicht er aber auch, dass ein „Weiter so“ in Europa den Industriestandort gefährden und zur Abwanderung heimischer Unternehmen führen würde. Was sich von den USA lernen lässt, welche Ansätze des IRA auch Europa verfolgen könnte, wie sich europäische Förderpolitik verändern muss sind nur einige der Punkte, die das Wirtschaftsforum der SPD in einem eigenen Positionspapier erarbeitet und vorgestellt hat. Darin werden unter anderem ein klares Bekenntnis zur Industrie, die Bereitstellung umfangreicher Investitionssummen, klare Ziele für die öffentliche Förderung, eine Reform der Beihilferegelungen und eine europäische Infrastrukturoffensive gefordert. Entlang dieser Schwerpunkte soll nun in einem Konsultationsprozess des SPD-Wirtschaftsforums sondiert werden, welche konkreten Maßnahmen sich für die Kommunen, den Bund und Europa ableiten lassen.

In einem ersten Hearing des Fachforums Kommunales ging es heute um die Perspektive der Kommunen. Fachforenleiter Dr. Alexander Götz sprach in seiner Eröffnung davon, dass der IRA das europäische Selbstverständnis beim Thema Klimaneutralität verunsichert habe. Nun gehe es um mögliche Reaktionen Europas und auch das Anerkennen, dass den USA mit dem IRA ein wichtiger Aufschlag gelungen sei. Er könne sich keine besseren kommunalen Experten zu dem Thema vorstellen als die heutigen Gesprächspartner, den Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal und den Hammer Oberbürgermeister Marc Herter. Beide repräsentieren Städte im Ruhrgebiet, dessen industrielle Basis und Wertschöpfung das wirtschaftliche Rückgrat und zugleich eine der zentralen Transformationsregionen Deutschlands bilden. Die Gestaltung der Transformation ist hier selbstverständlicher Teil der Kommunalpolitik.

Thomas Westphal sprach sich dafür aus, eine industriepolitische Diskussion zu führen. Benötigt werde jetzt ein nationales Programm, das den nationalen Rahmen setzt. Beispielhaft nannte er das Thema Wasserstoff. Es gehe nicht darum, ein Pilotprojekt an ein anderes zu hängen, vielmehr müsse das System neu gedacht werden. Dies sei nur auf nationaler oder sogar europäischer Ebene möglich. Andernfalls habe man nur eine Ansammlung kleiner Lösungen. Dortmunds Oberbürgermeister kritisierte eine bisher zu stark fiskalpolitisch orientierte Wirtschaftspolitik. Er habe lange nicht mehr gesehen, dass es einen staatlichen Rahmen gegeben habe, solche Prozesse anzustoßen. Zudem seien nicht allein die finanziellen Mittel, sondern vor allem die personellen Ressourcen entscheidend. Schon jetzt reiche das Personal nicht angesichts der vielfältigen kommunalen Infrastrukturmaßnahmen (Bau und Ausbau von Kitas, Schulen, Glasfaser). Westphal sprach sich dafür aus, regionale Agenturen einzusetzen. Diese könnten die Arbeit der Kommunen erleichtern und zur besseren Koordinierung und Kommunikation beitragen. In dem Zusammenhang verwies er beispielhaft auf die „Sprind-Agentur“ des Bundes zur Innovationsförderung.

Marc Herter begrüßte, dass mit dem IRA nun endlich um das Richtige konkurriert werde. Standorte stünden nun im Wettbewerb darum, wer die Herausforderungen der Transformation am produktivsten löst. Es handle sich um einen „charmanten Wettbewerb“, der in die richtige Richtung gehe. Es scheine außer Frage zu stehen, dass nun ein großes Finanzierungspaket nötig sei. Zudem sei es wichtig, die Tiefe der Wertschöpfungskette mitzuberücksichtigen. Herter lobte, dass der IRA das Thema Vorproduktion adressiere und Quoten in der Vorproduktion mit festschreibe. Hiervon könne sich Europa einiges abschauen. Er sprach sich dafür aus, die Regionen künftig stärker in die Lage zu versetzen, Unternehmen Erleichterungen gewähren zu können. Dass das EU-Beihilferecht nun überprüft werde, sei gut.

Wie Westphal machte auch Hamms Oberbürgermeister deutlich, dass Geld nicht allein entscheidend sei. Mit Blick auf Hamm sagte er, dass man hier auch das 1,5-Fache an Investitionen umsetzen könne, wenn nur das Personal vorhanden wäre. Doch Personal zu bekommen, sei schwierig. Es werde insgesamt im öffentlichen Dienst, insbesondere aber für die Kommunalwirtschaft dringend benötigt.

Beide kommunalen Vertreter monierten zu lange und häufig erratische Genehmigungsprozesse. Förderprogramme müssten aus einer Hand und nicht etwa über verschiedene Ministerien verteilt sein. Zudem werde die Verfahrensgeschwindigkeit zu Beginn der Vorhaben benötigt. Dies wiederum schaffe Zutrauen in den weiteren Prozess.

Fachforenleiter Dr. Alexander Götz resümierte in seinem Schlusswort die kommunalpolitischen Anregungen und Appelle: Es benötige vor allem mehr Personal und stärker projektbezogener Kooperationen. Fast-Track-Verfahren, die sich an den Projekten orientieren, sollten aufgesetzt werden. Schließlich sei ein kluger Mix von Förderinstrumenten notwendig. Wenn man sich auf den Zielrahmen verständigt habe, könne man damit auch das ideale Design für den Transformationsprozess gestalten.