29.11.2022
FF Außenwirtschaft und Europa

Bei allen Fortschritten von künstlicher Intelligenz in den vergangenen Jahren steht Europa bei der technologischen Entwicklung von KI-Systemen und -Produkten oft noch am Anfang. Ein von der EU-Kommission 2021 veröffentlichter Verordnungsentwurf will den Einsatz von KI-Systemen europäisch einheitlich regulieren. Gegenwärtig bestimmen die Mitgliedstaaten ihre Ratsposition für die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament. Für das Wirtschaftsforum der SPD ein guter Zeitpunkt, in einem eigenen Positionspapier Leitlinien zu präsentieren, welche die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft an der Schnittstelle zwischen Industrie und Datenökonomie stärken sollen. Im Gespräch mit Expertinnen und Experten aus Politik, Unternehmen und Zivilgesellschaft diskutierte das Fachforum Europa am 28. November, wie die Balance zwischen Innovation und Sicherheit zu wahren ist, welche wertebasierten Rahmenbindungen Deutschland und Europa im Vergleich zu anderen Weltregionen bieten und wie sich Ängste entkräften sowie Vertrauen in eine dem Menschen dienende KI stärken lässt.

Andreas Hartl, Bundeministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), sagte in seinem Eingangsstatement, dass er keine großen Differenzen zwischen dem Positionspapier des Wirtschaftsforums und der Position des BMWK erkennen könne. Er verwies darauf, dass das Ministerium insbesondere bei der Definition von KI-Systemen Verbesserungen erzielt habe und sich stark bei den Vorschriften zu Reallaboren eingebracht habe. Hartl unterschied zwischen „general purpose AI“ und „intended purpose AI“ und machte deutlich, dass es den „beabsichtigen Zweck“ oft noch gar nicht so klar gebe. Dem Ansatz der EU-Kommission zufolge könnten aber bestimmte Risiken eingeengt werden, indem für den Markteintritt wesentliche Forderungen einzuhalten seien. Gerade wenn KI so breit angesetzt ist, dass sie sich für sehr unterschiedliche Bereiche einsetzen ließe, müssten Verantwortlichkeiten und Haftungsfragen festgelegt bzw. geklärt werden. Diese Diskussion werde im Trilog – zwischen Parlament, Kommission und Rat – fortgeführt. In jedem Fall gelte es, so Hartl, Innovations- und Innovationsattentismus zu verhindern.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Parsa Marvi, Mitglied im Ausschuss für Digitales, stellte dar, dass KI bereits jetzt und künftig noch sehr viel mehr ein harter Standortfaktor sein werde. Das Bestreben auf Seiten der Politik sei es, die positiven Potenziale der KI zur vollen Entfaltung zu bringen. Hier müssten aber Deutschland und Europa gegenüber anderen Teilen der Welt noch deutlich aufholen. Er nannte Zahlen zum Anteil der weltweiten Patentanmeldungen, wobei allein die Hälfte auf China entfällt, 18 Prozent auf die USA und lediglich 4 Prozent auf die EU. Hier gebe es eine große Dynamik und Europa müsse aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren. Er zeigte sich aber auch zuversichtlich, dass gerade Deutschland und die EU im Bereich der „Manufacturing AI“ große Vorteile gegenüber anderen Regionen der Welt habe. Auch habe man in Europa Werte und Rahmenbedingungen, die man setzen könne, genau wie es jetzt mit dem EU AI Act geschehe. So gelte der Leitsatz, dass KI den Menschen und menschliche Intelligenz nicht ersetze, sondern dem Menschen diene und das Leben verbessere. Neben der Humanisierung der Arbeitswelt und der Entlastung von Routinearbeiten und körperlich harten Tätigkeiten sah Marvi künstliche Intelligenz auch als Zukunftsthema für Bildung, im Kampf gegen den Klimawandel, bei Ressourcen- und Energieeffizienz. Gleichzeitig müssten aber auch Diskriminierung und Datenmissbrauch verhindert werden. Hierfür benötige man Rechtssicherheit und Akzeptanz. Daher müsse ein Regelwerk für AI geschaffen werden. Als weltweit erste Region würde die EU nun ein solches Gesetz bringen.

Kathrin Watson, Robert Bosch GmbH, sprach mit Blick auf das Papier des Wirtschaftsforums von einem sehr gelungenen Positionspapier. Bosch verfolge das Thema KI schon lange und unterstütze den AI Act. Vertrauen ließe sich am besten über eine Regulierung entwickeln. Watson verwies auf den unternehmenseigenen KI-Kodex, der immer dem Grundsatz folge, dass KI dem Menschen dienen müsse. Zudem müssten Menschen in der Kontrollfunktion bleiben und KI sicher und erklärbar sein. Auch den Vorschlag der Kommission bewertete Watson für ihr Unternehmen als sehr positiv. Bosch unterstütze die Fokussierung auf Hochrisikogebiete, wie im Kommissionsvorschlag ausgeführt. Dies schaffe Rechtssicherheit und bietet gleichzeitig Flexibilität. Allerdings machte sie auch deutlich, dass die richtige Balance zwischen Innovation und Sicherheit gefunden werden müsse.

Auf die Perspektive der Zivilgesellschaft ging Lajla Fetic, Bertelsmann Stiftung, ein. Sie identifizierte noch zu viele Ausnahmeregelungen und zu eng gefasste Definitionen innerhalb des AI Acts. Wenn es aber darum ginge, für KI ein vertrauensvolles Umfeld zu schaffen, müssten gerade die gesellschaftlichen Belange intensiv mitgedacht und berücksichtigt werden. Auch bemängelte sie, dass es noch zu wenige Ideen gebe, wie sich die Regulierung künftig gewährleisten und durchsetzen lasse.