07.12.2022
FF Handel und Konsumgüter

Inflation, Energiekrise, Lieferengpässe und Zurückhaltung bei Verbraucherinnen und Verbrauchern – die Zeiten könnten besser sein für den Einzelhandel. Wie die aktuelle Wirtschafts- und Krisenlage den Handel beeinträchtigt und welche Maßnahmen der Konsumflaute entgegenwirken können, waren Themen einer Digitalkonferenz mit Dr. Daniele De Ridder, SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, sowie Unternehmensvertreterinnen und -vertretern am 5. Dezember.

Auch wenn sich laut aktuellem GfK-Konsumklima-Index die Stimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher nach einer Reihe von Rekordtiefs zuletzt wieder etwas stabilisiert hat, verharrt das Konsumklima nach wie vor auf sehr niedrigem Niveau. Die anhaltende Unsicherheit gepaart mit deutlich höheren Energie- und Lebenshaltungskosten wird voraussichtlich auch zeitnah nicht zu einer Trendwende führen. Reichlich Diskussionsstoff für die Digitalkonferenz des Fachforums Handel und Konsumgüter, an der rund 40 Mitglieder und geladene Branchenvertreterinnen und -vertreter teilnahmen.

Dr. De Ridder machte deutlich, dass der Handel bereits in den vergangenen Krisenjahren erheblich gelitten habe, was bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern zu einer weiteren Hinwendung in Richtung Onlinehandel geführt habe. Sie hob die kurz- und mittelfristigen Maßnahmen der Bundesregierung zur Unterstützung der Verbraucher/innen angesichts der Belastungen infolge rasant gestiegener Energiekosten hervor. Aber auch Initiativen der Regierung wie das Bürgergeld und das jüngst verabschiedete Chancenaufenthaltsgesetz hätten das Potenzial, sich positiv auf Einkommensverhältnisse auszuwirken, so De Ridder. Ob dies ausreiche, müsse sich allerdings erst noch zeigen. Perspektivisch bedürfe es einer klugen Strategie für die Transformation der Innenstädte und einer ressortübergreifenden Stadtentwicklungsstrategie, mahnte die Abgeordnete.

Aus Sicht von Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland – HDE e. V., haben die Maßnahmen der Bundesregierung und Hilfen für die Verbraucherinnen und Verbraucher die Konsumstimmung etwas belebt, auch wenn der Handel ein reales Umsatzminus von vier Prozent erwartet. Im europäischen Vergleich sei in Deutschland immer noch eine hohe Kaufkraft vorhanden. Unsicherheit und die Erwartung weiter steigender Lebenshaltungskosten hätten sich allerdings sehr nachteilig auf das Konsumverhalten ausgewirkt. Mit Blick auf die nun konkret auszugestaltenden Strom- und Gaspreisbremse sensibilisierte Stefan Genth dafür, dass viele Einzelhandelsunternehmen aufgrund von Ladenschließungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie im Referenzjahr 2021 rund 30 Prozent weniger Energie verbraucht hätten.

Die Diskussion widmete sich auch dem Thema Digitalisierung. Um diese Krise zu bestehen, die Genth als deutlich gravierender einschätzte als die Corona-Krise, müsse der mittelständische Einzelhandel investieren, so der HDE-Hauptgeschäftsführer. Digitalisierung stünde aber auch für die Zukunftsfähigkeit der Branche, der es immer wieder gelungen sei, sich neu zu erfinden. Auch bei der Bewältigung der jetzigen Krise komme dem Einzelhandel wieder seine Kreativität zugute.

Auf die Nöte des Onlinehandels ging Thomas Voigt, Group Vice President Corporate Communications and Political Affairs der Otto Group, ein. Der Onlinehandel rechne mit Umsatzeinbußen, wenn auch in deutlich geringerem Umfang als der stationäre Handel. Insbesondere die Faktorkosten, wie Rohstoffpreise und steigende Preise rund um den Logistikbereich, beeinträchtigten die Branche aktuell. Auch Voigt hob die Relevanz von Investitionen in Digitalisierung und Nachhaltigkeit hervor. In dem Zusammenhang verwies er auf das EU-Lieferkettengesetz, das eine richtige und wichtige Initiative für die Wahrung der Menschenrechte und für mehr Nachhaltigkeit darstelle.  Es bedürfe eines verlässlichen Rahmens. Allerdings bedauerte er, dass die Arbeit der diversen Multistakeholder-Initiativen, die sich für nachhaltigere und fairere Bedingungen u. a. im Textilbereich engagieren, wenig Beachtung im politischen Prozess zum EU-Lieferkettengesetz gefunden hätten. Angesichts der vielschichtigen Herausforderungen für Wirtschaft und Einzelhandel würde er mehr Pragmatismus von Seiten der Politik begrüßen.