Als hätten Corona, der Krieg in der Ukraine, in dessen Folge historisch hohe Inflationsraten und Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung dem Einzelhandel nicht schon genug zugesetzt. Auch die branchenübergreifenden Herausforderungen durch die Digitalisierung und den Arbeitskräftemangel belasten den Handel. Welche positiven Perspektiven sich dennoch ergeben können und von welchen Best-Practice-Beispielen sich lernen lässt, war Thema einer Digitalen Arbeitssitzung mit dem Bundestagsabgeordneten Alexander Bartz, Berichterstatter für Groß- und Einzelhandel der SPD-Bundestagsfraktion, und Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer der IFH Köln GmbH (Institut für Handelsforschung). Das Gespräch im Rahmen des Fachforums Handel und Konsum am 27. November moderierte Wirtschaftsreferentin Laila Linke.
Alexander Bartz nannte in seinem Eröffnungsstatement Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und sich wandelnde Kundenerwartungen als die zentralen Eckpfeiler, die den Einzelhandel vor große Herausforderungen stellten. Das klassische Vertriebsmodell sei längst durch die Digitalisierung herausgefordert worden. Wie traditionelle Geschäftsmodelle zeitgemäß weiterentwickelt werden könnten, sei deshalb eine Frage, die sich auch die Politik stellen müsse. Man müsse aber auch fragen, ob die Kundinnen und Kunden traditionelle Geschäftsmodelle noch wollten. Unstrittig ist für Bartz dagegen die Bedeutung der Innenstädte: „Die Menschen wollen weiter eine Innenstadt haben“, ist der Abgeordnete überzeugt. Ja, die Kundinnen und Kunden wollten Onlinehandel nutzen, aber auch auf den stationären Handel nicht verzichten. Diesen gelte es insbesondere dort zu stärken, wo er einen klaren Vorteil gegenüber online biete: beim Schaffen von Erlebnissen. Es gelte zu beantworten, wie sich der digitale Wandel in den stationären Handel einbringen ließe. Um den Einzelhandel auf diese Veränderungen vorzubereiten, bedürfe es der engen Abstimmung zwischen Politik und Handel. Gerade auch mit Blick auf die Vermeidung von Leerstand müsste der Informationsaustausch befördert werden. Die große Bedeutung der Innenstädte dürfe nicht unterschätzt werden, so Bartz. Sie bilde das gesellschaftliche Zentrum einer Stadt.
Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IFH Köln, präsentierte aktuelle Zahlen zur Entwicklung des Einzelhandels. Seit Beginn der Corona-Pandemie habe man einen starken Zuwachs des Online-Handels auf Kosten des stationären Handels beobachtet. Vor allem bei Gütern des täglichen Bedarfs erwiesen sich die Bequemlichkeitsvorteile des Online-Handels als groß im Vergleich zum stationären Handel. Mittlerweile seien aber doch wieder vollere Innenstädte zu beobachten. Es sei deshalb eine „Mär“ zu behaupten, dass die Menschen nicht mehr in die Innenstädte gingen. Die Innenstadt brauche also auch weiterhin den Einzelhandel. Richtig sei aber auch, dass der Einzelhandel Erlebnisse bieten müsse. Das stelle viele Händler vor große Herausforderungen. In dem Zusammenhang sprach Hudetz von der Omnichannel-Strategie, die es den Kunden erlaube, über alle Kanäle einzukaufen. Er halte Omnichannel für einen entscheidenden Schritt bei der weiteren Ausrichtung des Handels.
Der Marktforscher ging ebenfalls auf das Thema Leerstand ein und stellte die Arbeit sogenannter Stadtlabore vor. Er verwies auf Best-Practice-Beispiele zur Vermeidung von Leerstand. Mit Hilfe eines Plattformansatzes ließe sich der zügige Informationsaustausch zwischen Unternehmen und Stadtverwaltung gewährleisten. Hudetz hoffte abschließend auf ein gutes Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel, damit das Jahr insgesamt doch noch versöhnlich ende. Die Branche – und mit ihr die Kundinnen und Kunden – könnte mehr Optimismus vertragen. Zudem seien für Kauflaune auch Ruhe und Verlässlichkeit erforderlich, ein Aufruf, den er angesichts einer insgesamt als verunsichernd wahrgenommenen Wirtschaftslage formulierte. Schließlich schloss er mit dem Appell an die Kundinnen und Kunden: „Wenn Ihr die Innenstädte wollt, müsst Ihr Eure Einzelhändler unterstützen.“
Wir werden die Diskussion bereits im Januar fortsetze, dann mit dem Schwerpunkt „Handel und Innenstädte“.