• Dr. Michael Frenzel, Präsident des Wirtschaftsforums der SPD © Wirtschaftsforum der SPD e.V. / Marco Urban
20.03.2020
Allgemein

Die Coronakrise bringt Deutschlands Unternehmen in Bedrängnis. Dr. Michael Frenzel, Präsident des Wirtschaftsforums der SPD, sprach im Interview mit Markt intern über das Hilfspaket der Bundesregierung für Unternehmen und die Lehren aus der Krise.

 

mi: Herr Frenzel, wie realistisch ist die Feststellung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, die Bundesregierung werde verhindern, dass ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen nur wegen der Coronakrise in die Insolvenz falle?

Dr. Michael Frenzel: Das Besondere an der Coronakrise ist, dass es jetzt nicht darum geht, strukturelle Defizite zu beheben – anders als etwa vor rund zehn Jahren in der Finanzkrise. Stattdessen sehen jetzt viele gut aufgestellte Betriebe in den Abgrund, obwohl sie jahrelang solide gewirtschaftet und klug investiert haben. Von ihrem Überleben hängen Millionen Arbeitsplätze ab. Es ist deshalb richtig, dass die Bundesregierung bislang keine finanziellen Grenzen der angekündigten Unterstützung aufgezeigt hat. Vor dem Gipfel der Bundeskanzlerin mit Vertretern der Wirtschaft und Gewerkschaften vergangene Woche haben wir gefordert, die Politik der „Schwarzen Null“ zu beenden. Das hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz mittlerweile angekündigt und damit ein richtiges Signal gesetzt.

mi: Was muss politisch und seitens der Verwaltung getan werden, damit möglichst viele Unternehmen die Coronakrise tatsächlich wirtschaftlich überleben?

Frenzel: Das Hilfspaket, das die Bundesregierung geschnürt hat, enthält viel Gutes: Leichterer Zugang zum Kurzarbeitergeld, Notfallkredite von Banken, Soforthilfen für kleine und mittelständische Unternehmen. Entscheidend ist jetzt, dass die Hilfe auch wirklich da ankommt, wo sie benötigt wird. Hausbanken und KfW müssen dafür sorgen, dass Kredite zum Liquiditätserhalt noch viel schneller gewährt und ausgezahlt werden. Die Bürgschaftsgrenzen müssen dazu dringend angepasst werden. Und auf keinen Fall dürfen Unternehmen in den kommenden Monaten zusätzlich durch neue Regulierungen, Steuern oder Sozialabgaben belastet werden.

mi: Reichen die bisher beschlossenen Maßnahmen aus?

Frenzel: Wir sehen ja, wie dynamisch sich diese Krise entwickelt. Die Lage ändert sich stündlich. Niemand weiß, was in einer Woche ist. Die Ansätze der Bundesregierung, etwa die von uns geforderten Steuerstundungen und Liquiditätshilfen zu gewähren, sind gut. Überlebenswichtig ist für Unternehmen und Arbeitnehmer, dass das Krisenmanagement jetzt reibungslos funktioniert. Dafür müssen Politik und Wirtschaft im ständigen Dialog miteinander bleiben, um unverzüglich auf neue Entwicklungen reagieren zu können.

Angesichts der Tatsache, dass wir den Gipfel dieser Krise noch längst nicht erreicht haben, bezweifle ich aber, dass die bislang beschlossenen Maßnahmen ausreichen. Wir dürfen nicht nur an Heute und Morgen denken, sondern müssen auch schon Übermorgen im Blick haben. Krisen bieten Chancen, wenn man aus ihnen lernt. Eine Lehre wird sein, dass es künftig eine bessere europäische Koordinierung für solche Fälle geben muss. Eine Reform der Europäischen Union ist überfällig. Eine andere Lehre ist, dass sich unsere Wirtschaft bei Lieferketten weniger abhängig vom Ausland machen muss. Wir müssen den Standort Deutschland und Europa stärken.

mi: Gibt es spezielle Forderungen des Wirtschaftsforums der SPD, die die Bundesregierung oder Landesregierungen noch umsetzen sollten?

Frenzel: Das Wirtschaftsforum der SPD unterscheidet sich von vielen anderen Verbänden dadurch, dass es den ganzen Facettenreichtum des Wirtschaftsstandorts Deutschland abbildet: Global agierende Dax-Konzerne, traditionsreiche Familienunternehmen und mittelständische Betriebe engagieren sich bei uns ebenso wie schnell wachsende Start-ups. Genau diese Vielfalt macht den Wirtschaftsstandort Deutschland stark. Deshalb ist es jetzt und in der Zukunft wichtig, dass die Politik niemanden vergisst.

Wirtschaftliche Hilfe muss unabhängig von der Branche, Größe und Dauer des Bestehens eines Unternehmens gelten und passgenau sein, damit niemand durchs Netz fällt. Es ist gut, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Besitzern kleiner Läden, Freiberuflern und Solo-Selbstständigen Expresshilfen in Aussicht gestellt hat. Außerdem halten wir an unserer Forderung nach befristeter staatlicher Beteiligung an Unternehmen in Notfällen fest und begrüßen, dass die Regierung auch dieses Instrument in Betracht zieht.

mi: Was halten Sie davon, statt der zugesagten Kredite unmittelbar Hilfsgelder an kleine Mittelständler auszuzahlen?

Frenzel: Entscheidend ist, dass es vielfältige Maßnahmen für jede erdenkliche Notsituation gibt und dass die Hilfe schnell bei den Unternehmen ankommt. Für viele kleine Mittelständler und Solo-Selbstständige bedeutet die aktuelle Krise: Wenn es hart auf hart käme, wären sie nach wenigen Wochen finanziell am Ende. Deshalb muss jetzt alles Notwendige getan werden, um zu verhindern, dass Unternehmerinnen und Unternehmer unverschuldet vor den Scherben ihrer Existenz stehen. Der Vorstoß von Olaf Scholz, ihnen in Härtefällen Mietzuschüsse für ihre Geschäfte zu gewähren, ist da ein Schritt in die richtige Richtung.

 

Die Fragen stellte Dr. Frank Schweizer-Nürnberg. Das Interview erschien am 20. März 2020.