Die Wettbewerbsfähigkeit der EU muss insbesondere im globalen Wettstreit mit den USA und China gestärkt werden. Die EU und Deutschland brauchen auch hierfür einen stabilen Finanzsektor in offenen Märkten, um Wachstum zu finanzieren, Risiken abzusichern und Innovation voranzutreiben. Der Brexit und einseitige Deregulierungsbestrebungen von Drittstaaten machen dies umso dringlicher. Die Finanzwirtschaft kann entscheidend dazu beitragen, dass Europa wieder an Vertrauen gewinnt. Gerade von Finanz-, Kredit- und Versicherungspartnern erwarten Kundinnen und Kunden Stabilität und Sicherheit.

Stabiler und wettbewerbsfähiger Finanzmarkt mit sachgerechtem Verbraucherschutz

  • Wir setzen uns für eine stärker koordinierte Währungs- und Finanzmarktpolitik ein: Nur eine nachhaltige Stärkung der Eurozone kann den Euro krisenfest machen und Freihandel und faire Austauschbeziehungen garantieren. Ein Eurozonenbudget kann dringend benötigte Investitionen stärken und in Krisen stabilisierend wirken.
  • Wir befürworten den Schulterschluss mit Frankreich zu einer institutionellen Weiterentwicklung der EU und der Ausgestaltung eines neuen europäischen Finanzrahmens. Bei der Schaffung der Kapitalmarktunion ist jedoch ein Gleichklang zwischen kapitalmarktbasierten Finanzierungs- und Kreditfinanzierungsmodellen erforderlich. Haftung und Kontrolle auf den Finanzmärkten muss in Einklang gebracht werden. Eine Zentralisierung der europäischen Einlagensicherung (EDIS) auf Kosten der Funktionsfähigkeit nationaler Sicherungssysteme lehnen wir deshalb ab. In den nächsten Jahren gilt es, die aktuell geltende EU-Einlagensicherungsrichtlinie umzusetzen sowie den Umfang ausfallgefährdeter Kredite in den jeweiligen Mitgliedsstaaten erheblich zu senken.
  • Der EU-Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen muss im Sinne der Wettbewerbsneutralität vorangebracht werden.
  • Das Prinzip der Proportionalität muss strikt eingehalten werden und auch auf internationaler Ebene Einzug erhalten, um die heterogene Akteurslandschaft der deutschen Bank- und Finanzwirtschaft zu erhalten. Gleiches muss gleich, Ungleiches ungleich reguliert werden. Dadurch können Regulierungslasten gezielt dort abgebaut werden, wo ihre relative Belastung am höchsten und das Risiko am geringsten ist.
  • Das im Dezember 2017 vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht beschlossene Basel IV-Reformpaket „Basel III: Finalising post-crisis reforms“ mit signifikant gestiegener Eigenkapitalanforderung stellt die nationale und europäische Finanz- und Kreditwirtschaft vor große Herausforderungen. Die EU-Kommission und die Bundesregierung müssen bei der schrittweisen Umsetzung dafür sorgen, dass die europäischen Finanzinstitute im internationalen Wettbewerb mittel- bis langfristig nicht die Verlierer sind. Die Basel IV-Maßnahmen sollten weltweit und insbesondere mit Blick auf die US-Administration im Gleichschritt und in der EU maßvoll umgesetzt werden. Dabei sind negative Auswirkungen auf die Kreditwirtschaft, Unternehmensfinanzierungen und nationale Wirtschaft zu vermeiden sowie die Besonderheiten des europäischen Finanzmarktes zu berücksichtigen. Spielräume und Möglichkeiten für Erleichterungen sollten genutzt werden, um Wettbewerbsnachteile für Kreditinstitute in Europa zu vermeiden.
  • Wir lehnen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ab, da sie zu einer strukturellen Benachteiligung des Finanzstandortes Deutschland im globalen Wettbewerb führt und die Altersvorsorge der Sparer belasten würde.
  • Wir begrüßen, dass der Bundesfinanzminister den Finanzplatz Deutschland auch auf unsere Initiative hin stärken will. Bereits der Umzug der EBA nach Paris und nicht nach Frankfurt hätte durch ein Engagement der gesamten Bundesregierung verhindert werden müssen. Der Finanzstandort Deutschland muss in Europa eine zentrale Rolle einnehmen und die Bundesregierung hierfür ihr Engagement weiter verstärken.
  • Wir setzen uns deshalb unter anderem dafür ein, dass das Euroclearing nach Frankfurt verlagert wird. Seit der Finanzkrise wird die Mehrheit der Zinsderivate im Londoner Clearinghaus abgewickelt. Im Zuge des Brexit muss dafür gesorgt werden, dass die für den Euro systemrelevanten Geschäfte innerhalb des EU-Rechtsrahmens abgewickelt werden.
  • Zu einem starken Finanzmarkt gehört auch ein starkes Asset Management. Hier ist Deutschland derzeit eher Absatzmarkt als Produktionsstätte. Beim anstehenden Review der AIFM-Richtlinie sollten die EU-Kommission und die Bundesregierung ein besonderes Augenmerk auf die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen und nationalen Asset Managements legen. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass die Vermögens- und Eigentumsbildung sowie die Altersvorsorgesicherung auch der 2. und 3. Säule gestärkt werden und die aktienbasierte Altersvorsorge attraktiver gestaltet wird.
  • Wir setzen uns für einen sachgerechten finanziellen Verbraucherschutz mit Augenmaß ein. Nach der Vielzahl von Regulierungsmaßnahmen der vergangenen Jahre ist es an der Zeit, diese auch auf EU-Ebene einem Review auf Konsistenz, Wirksamkeit und Wechselwirkungen zu unterziehen. Unverhältnismäßige regulatorische Vorgaben wie die Pflicht zur Sprachaufzeichnung unter anderem von telefonischen Wertpapiergeschäften sollten abgeschafft werden. Wir setzen uns auch dafür ein, dass Kunden eine Verzichtsmöglichkeit für bestimmte Informationspflichten erhalten.
  • EU-Vorgaben sind 1:1 umzusetzen und Goldplating ist zu vermeiden. Insbesondere mit Blick auf den Anlegerschutz ist eine Auswirkungsanalyse sinnvoll.
  • Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Erweiterung der Kompetenzen der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden zu Lasten der nationalen Aufsichtsbehörden lehnen wir ab. Starke nationale Aufsichtsbehörden sowie deren engere Vernetzung und Kooperation untereinander sind wichtig. Eine effiziente Aufsicht kann nur dann funktionieren, wenn diese eng am Markt agiert und die lokalen Besonderheiten kennt. Auch eine Ausweitung der Gebührenfinanzierung von EBA und ESMA sehen wir kritisch, da es sich hierbei um aufsichtsrechtliche Hoheitsaufgaben der EU-Kommission handelt. Der aktuelle Finanzierungsmix aus nationalen Töpfen und EU-Mitteln sollte daher bestehen bleiben.
  • Damit Finanzinstitute ihre Dienstleistungen den Kunden grenzüberschreitend anbieten können, sollten die bankaufsichtsrechtlichen Regeln (Single Rulebook) weiter vereinheitlicht und Eigenkapital- und Liquiditätswaiver für Banken etabliert werden.
  • Die Vorschriften der MiFID II / des WpHG unterwerfen sowohl Privatkunden als auch professionelle Kunden vielfach dem gleichen Schutzniveau. Wir setzen uns dafür ein, dass in Wertpapiergeschäften „erfahrene“ Kundinnen und Kunden sowie professionelle Marktteilnehmer auf Informationen verzichten können sollten.

 Vielfältiges und attraktives Finanzangebot sichern

  • Wir setzen uns für einen Finanzsektor ein, der als verlässlicher Dienstleister mit attraktiven Angeboten an der Seite der Kundinnen und Kunden steht. Wir sprechen uns dafür aus, hierbei die Wahlfreiheit zwischen provisions- und honorarbasierter Beratung zu erhalten und lehnen ein Provisionsverbot ab. Nur die provisionsbasierte Beratung ermöglicht allen Bevölkerungsschichten einen flächendeckenden Zugang zu hochwertiger und persönlicher Beratung, unabhängig vom Einkommen und Vermögen. Die Provisionsberatung hat bezüglich des freiwilligen Altersvorsorgesystems eine wichtige sozialpolitische Funktion bei der Verbreitung einer kapitalgedeckten Altersvorsorge insbesondere bei Geringverdienern.
  • Die gesetzliche Einführung eines Provisionsdeckels in Deutschland sehen wir sehr kritisch, nicht zuletzt aus Gründen der Grundgesetz- und Europarechtskonformität. Im Interesse einer Vielfalt des Produktspektrums sollte zudem von Produktverboten abgesehen werden.
  • Wir setzen uns dafür ein, dass EU-Institutionen zugunsten der Vielfalt des Finanzangebotes keine einzelnen Altersvorsorge-, Vermögensbildungs- und Finanzprodukte diskriminieren.
  • Es sollten wirkungsgleiche Regeln für den Vertrieb aller Anlageprodukte gelten, unabhängig davon, ob sie von einer Bank, einer Versicherung oder freien Finanzvermittlern angeboten werden.
  • Bei der Ausgestaltung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie ist es wichtig, dass einzelne Verbrauchergruppen beim Neu- oder Umbau von Wohneigentum nicht unnötig benachteiligt werden. Gerade junge Familien vor einer Elternzeit oder Rentnerinnen und Rentner ziehen so den Kürzeren, wenn allein ihr Einkommen zur Berechnung der Kreditwürdigkei herangezogen warden darf und sie deswegen keine Finanzierung mehr erhalten.

 Technologischen Fortschritt und Digitalisierung gestalten

  • Der technologische Fortschritt zwingt Unternehmen aller Branchen zu grundlegenden Veränderungen ihrer Geschäftsmodelle. Auch für die Finanzmarktinfrastruktur gewinnen digitale Systeme immer mehr an Bedeutung, denn Kundinnen und Kunden wünschen sich leistungsstarke Finanzinstitute, die ihnen gute und individuelle Produkte sowie einen bequemen Service bieten. Dafür bedarf es eines risikobasierten, technologieneutralen und innovationsfördernden Rechtsrahmens. Die neuen Regeln und Standards müssen jedoch einheitlich sein und dürfen den europäischen Markt nicht fragmentieren. Dies bedeutet, dass bestehende Regelungen weiter harmonisiert werden sollten, wie beispielsweise die Anforderung an Verifizierung für Know-How-Customer-(KYC)-Prozesse.
  • Der Grundsatz „gleiches Geschäft, gleiches Risiko, gleiche Regulierung“ ist für die Schaffung von einheitlichen Wettbewerbsbedingungen unabdingbar. Für effektiven Verbraucherschutz und fairen Wettbewerb ist es essentiell, dass Regulierung auf die Risiken von angebotenen Services und Produkten abstellt – unabhängig davon, durch wen diese angeboten werden.
  • Schon heute stehen viele Unternehmen vor der Frage, Cloud-Lösungen zu nutzen, für die es in vielen Fällen jedoch keine europäischen Anbieter gibt. IoT, KI, Blockchain und Cyberabwehr müssen verstärkt europäisch gestaltet und Big Data zur Schlüsseltechnologie gemacht werden, auch um die europäischen Datenschutzstandards zu gewährleisten.
  • Mit Blick auf die Herausforderungen im Wettbewerb mit China und den USA stehen zum Teil die Regelungen im europäischen Wettbewerbsrecht der Schaffung europäischer „Champions“ in der Plattformökonomie, aber auch im industriellen Bereich, entgegen. Ein modernes Wettbewerbsrecht auf europäischer Ebene muss allen Wirtschaftsakteuren gleichermaßen Zugang zu Plattformen und Schnittstellen ermöglichen. Eine Reform des europäischen Kartell- und Wettbewerbsrechtes ist erforderlich, um ein faires level-playing field unter globalen Bedingungen zu erhalten und Goldplating zu vermeiden. In der neuen Daten-Ethikkommission und in der Kommission „Wettbewerbsrecht 4.0“ sollte auch die Finanzbranche einbezogen werden.

Sustainable Finance: Marktdynamik verantwortungsvoll absichern

  • Die nachhaltigen Entwicklungsziele der UN (SDGs), die Ziele des Klimaabkommens von Paris und Katowice sowie die nationale Nachhaltigkeitsstrategie führen zu einer Transformation der Real- und Finanzwirtschaft. Das Credo muss hierbei lauten: Wandel in Sicherheit, um auch weiterhin Wettbewerbsfähigkeit, Innovationen, Arbeitsplätze und Wohlstand zu bewahren. Dies lässt sich auch durch die Einbindung der Finanz- und Kreditwirtschaft verwirklichen. Nachhaltigkeit ist keine grüne Visitenkarte, sondern hat sich in kurzer Zeit zu einem beachtlichen Wirtschafts- und Investmentfaktor in der internationalen Wirtschaft und im internationalen Wettbewerb entwickelt. Die Unterstützung und Ausgestaltung dieser Entwicklung muss von der EU weiter vorangetrieben werden.
  • Als Fundament für weitere Aktivitäten in der EU wird aktuell ein gemeinsames Verständnis von „nachhaltigen Investments“, d.h. ein Klassifikationsrahmen (Taxonomien), erarbeitet. Die Arbeiten zur Taxonomie und anschließend für das EU-Label Nachhaltigkeit sollten Priorität haben und erfordern hohe Sorgfalt, da das Wachstum des europäischen Sustainable-Finance-Marktes maßgeblich von Vertrauensbildung durch Transparenz und präzisen, verlässlichen Informationen abhängt. Wünschenswert ist, dass die Taxanomie dabei bestehende Standards und Konzepte anerkennt.
  • Es bedarf in einem weiteren Schritt sorgfältig aufeinander abgestimmter europäischer (rechtlicher) Rahmenbedingungen, die die vielfältigen und komplexen Wechselwirkungen mit anderen Regulierungsbereichen im Blick behalten und mögliche Risiken sowie marktbasierte Lösungen nicht außer Acht lassen. Bei der derzeit von der EU-Kommission geplanten Umsetzung würde ein „MiFID II plus“ mit noch größerem bürokratischem Aufwand drohen. Eine mögliche Alternative könnte sein, dass Produktersteller Hinweise zu Nachhaltigkeit in Produktinformationsblättern veröffentlichen.
  • Wichtige Grundsätze der Finanzmarktstabilität gelten auch für Sustainable Finance. Die möglichen Risiken nachhaltiger Finanzierungen dürfen nicht auf Kosten der Anlegerinnen und Anleger übersehen werden.

Europapolitische Positionen des Fachforums Finanzen und Kapitalmarkt: „Für eine wettbewerbsfähige EU-Finanzwirtschaft und einen starken Finanzstandort Deutschland“