22.09.2022
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Nutzung von Gesundheitsdaten versus Datenschutz: Oft wird die Diskussion auf dieses vermeintliche Gegensatzpaar verengt und im angeblich zu restriktiven Datenschutz die Hürde für eine stärkere Digitalisierung im Gesundheitswesen ausgemacht. Ob es tatsächlich an zu strengen Datenschutzauflagen oder eher anderen Schwächen bei der Digitalisierung liegt, war heute Thema einer Podiumsdiskussion des SPD-Wirtschaftsforums mit Prof. Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für Datenschutz, Prof. Dr. Thorsten Schlomm, Charité, Dr. Katja Stadelmann, Siemens Healthineers, Christian Clarus, B. Braun Group, sowie Prof. Dr. Susanne Knorre, Vizepräsidentin des SPD-Wirtschaftsforums.

Prof. Ulrich Kelber ging in seinem Eröffnungsstatement auf die Chancen der Datennutzung ein und bezeichnete sich selbst als Fan von gutgemachter Digitalisierung bei der gesundheitlichen Versorgung und im Rahmen der medizinischen Forschung. Er nannte das Beispiel der elektronischen Patientenakte, die 2004 initiiert wurde und seit 2021 auch den meisten Versicherten zur Verfügung stünde. Wie eng das Gesundheitswesen mit dem Datenschutz verwoben ist, verdeutlichte er am Beispiel der ärztlichen Schweigepflicht, ihm zufolge die älteste Datenschutzregel überhaupt.

Es müssten, so Kelber, die Gemeinwohlinteressen und den Grundsatz der Freiwilligkeit bei der Verarbeitung von Gesundheitsdaten beachtet werden. Das Persönlichkeitsrecht stünde im Übrigen nicht über allem, schließlich gelte auch die Freiheit von Forschung und Lehre. „Die Datenschutzgrundverordnung ist forschungsfreundlich“, sagte Kelber. Aus seiner Sicht stehe das Datenschutzrecht der Digitalisierung nicht im Weg. Vielmehr seien Erforderlichkeit und Geeignetheit die entscheidenden Kriterien bei der Datenerfassung und -nutzung. Er betonte, dass digitale Lösungen beim Datenschutzrecht oft analogen Lösungen überlegen seien. In jedem Fall aber benötige die Digitalisierung Transparenz und klare rechtliche Grundlagen.

Aus Sicht von Prof. Dr. Thorsten Schlomm, Direktor der Klinik für Urologie der Charité Universitätsmedizin Berlin, ist es wiederum entscheidend, Potenziale der Digitalisierung zu erkennen und zu nutzen. Er sprach sich für eine „Medizindatenvorratsspeicherung“ aus und dafür, zentrale Datenräume einzurichten, zu denen Patienten Zugang haben müssten. Beispielhaft nannte er eine digitale Plattform der Charité zur Gensequenzierung, über welche Patientinnen und Patienten Daten eingeben könnten. Auch beim Thema Medikamentenpreise könne Deutschland von mehr Digitalisierung profitieren, wie die Pandemie gezeigt habe. „Deutschland hat die höchsten Medikamentenpreise. Daten aus Studien müssen besser strukturiert, simuliert und digitalisiert werden, um schneller und günstiger neue Medikamente zulassen zu können. Auch das haben wir aus Corona gelernt, wie schnell man Impfstoffe zulassen kann“, sagte Schlomm.

Dr. Katja Stadelmann, Head of Data Privacy, Siemens Healthineers, bezeichnete die Datenschutzgrundverordnung als von der Idee her gut. Allerdings gibt es ihr zufolge auch den Bedarf, die Verordnung nachzujustieren, um den Standort Deutschland und Europa attraktiver zu machen. „Mein Wunsch an die Politik ist, dass ein globalgalaktisches Ziel nicht immer wieder anders interpretiert wird.  Wir müssen uns konkret fragen: Was braucht die Industrie, um das Ziel, welches Politik oder Kliniken vorgegeben haben, zu erreichen? Wo besteht Regulierungsbedarf und wo gibt es Spielräume, die ich als Gesetzgeber nicht richtig ausnutze? Wenn hier der Dialog mehr gefördert werden würde, wäre es ideal.“

Prof. Dr. Susanne Knorre sah die Politik gefordert, die beteiligten Akteure in der Frage einer besseren Datennutzung im Sinne der Patientinnen und Patienten an einen Tisch zu holen. Es müssten Wege aufgezeigt werden, die sowohl zeitgemäß seien als auch dem Patientenwohl und dem der Gesellschaft dienten. Sie versprach, den Dialog im Rahmen weiterer Veranstaltungen des SPD-Wirtschaftsforums fortzusetzen.