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Am 19. Januar 1919 konnten Frauen in Deutschland zum ersten Mal wählen und gewählt werden – ein Meilenstein in der rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Und so wichtig die Einführung des aktiven und passiven Frauenwahlrechts für die deutsche Geschichte auch ist, die Vizepräsidentin des Wirtschaftsforums der SPD sieht sie nur am Anfang einer emanzipatorischen Entwicklung, die noch lange nicht beendet ist.

„Wenn man sich unsere heutige Gesellschaft anschaut, erkennt man: Gleichberechtigung nach dem Gesetz bedeutet nicht automatisch, dass Frauen in Wirtschaft, Politik, Sprache und Gesellschaft auch gleichbehandelt werden“, meint Prof. Dr. Ines Zenke. „In vielen Bereichen sind Frauen noch immer stark unterrepräsentiert.“

Das belegt auch eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). In den 100 umsatzstärksten Unternehmen ist der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten demnach um gut drei Prozentpunkte auf 28,4 Prozent gestiegen. Denn seit 2016 müssen börsennotierte Unternehmen Aufsichtsratsposten zu mindestens 30 Prozent an Frauen vergeben. Diese Quote gilt aber nicht für Vorstände. Dort liegt der Anteil nach wie vor bei lediglich etwa zehn Prozent.

„Die Hälfte der deutschen Hochschulabsolventen und rund 45 Prozent aller Promovierenden sind weiblich“, kommentiert Zenke. „Unter den 30 DAX-Konzernen findet sich aber keine einzige Vorstandsvorsitzende. Für mich steht fest: Wir können es uns einfach nicht leisten, das Innovationspotenzial von Frauen zu vernachlässigen. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels müssen Unternehmen hoch qualifizierten, leistungsstarken und karriereorientierten Frauen auch Aufstiegschancen in Spitzenpositionen ermöglichen.“

Klar ist: Die männliche Dominanz in deutschen Vorständen ist das Ergebnis einer längst veralteten Sicht auf Qualifikation, Kompetenz und Präsenz, die die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen durchaus gefährden könnte. Tradierte Strukturen arbeiten nur bei konstanten Rahmenbedingungen effizient. In einer sich rasch verändernden Umwelt erweisen sie sich jedoch als anfällig und wenig anpassungsfähig. So funktionieren in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung gemischte Teams meist besser, vielfältig und divers aufgestellte Belegschaften sind unvorhergesehenen Herausforderungen weitaus eher gewachsen.

Deshalb ist die Gleichstellung von Mann und Frau nicht nur eine politische Forderung, sondern ein entscheidender wirtschaftlicher Faktor, der über Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen entscheiden kann.