Die Transformation hin zu Klimaneutralität stellt gerade den Verkehrssektor vor große Herausforderungen. Für alle Verkehrsträger müssen geeignete Wege der Emissionsminderung definiert werden. Anders als dem Automobilsektor mit E-Mobilität stehen dem Luft- und Seeverkehr allerdings nur begrenzt technologische Alternativen zur Verfügung. Gerade in diesen Sektoren ist deshalb der schnelle Markthochlauf von synthetischen Kraftstoffen (SAF) entscheidend. Wie der regulatorische Rahmen auf nationaler und europäischer Ebene zudem zur Sicherung der heimischen Industrie in der Luftverkehrs- und maritimen Wirtschaft beitragen kann, um Verlagerungseffekte zu vermeiden, waren weitere Themen einer digitalen Podiumsdiskussion am 19. Januar. Mit der gemeinsamen Veranstaltung der Fachforen Mobilität und Infrastruktur sowie Tourismus nahm das Wirtschaftsforum der SPD erstmals das Thema Luft- und Seeverkehr auf die Tagesordnung. Vertreterinnen und Vertreter der beiden Branchen informierten über den Stand der Transformation in ihren Unternehmen und formulierten konkrete Erwartungen an die Politik in Deutschland und Europa.

Aus Sicht von Verbandspräsidentin Prof. Dr. Ines Zenke, die das Gespräch eröffnete, haben die Unternehmen die Herausforderung längst angenommen und warteten nicht ab. Mit der Pandemie und den schwierigen gesamtwirtschaftlichen Bedingungen wäre die Aufgabe insgesamt noch einmal schwieriger geworden. Zenke nannte in dem Zusammenhang auch den US-Inflation Reduction Act (IRA), der viel mehr sei, als sein Titel vermuten lasse. Vielmehr handele es sich um eine Form aktiver Industriepolitik, dessen Einfachheit und Technologieoffenheit bestechend seien. Auch und gerade beim Thema Transformation ginge es darum, vernünftige Rahmenbedingungen zu schaffen und Industrie in Europa zu haben. Europa brauche eine vernünftige Förderung, einen verlässlichen Rechtsrahmen, der Investitionssicherheit und Technologieoffenheit gewährleiste.

Die Diskussion moderierte Hiltrud Werner, Mitglied des erweiterten Präsidiums des Wirtschaftsforums und Aufsichtsratsvorsitzende der Mitteldeutschen Flughafen AG. Sie bezeichnete es als verwunderlich, dass angesichts der großen Bedeutung von synthetischem Kraftstoff und grünem Wasserstoff für den See- und Luftverkehr die Roadmap dahin noch so unfertig erscheine.

Für Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e.V., stellt sich als zentrale Frage, wie das Verkehrswachstum mit Klimaschutz in Einklang zu bringen ist. Eine Antwort gebe darauf die Technik mit Flugzeugen, die möglichst wenig Energie verbrauchten. Um überhaupt zu CO2-Neutralität zu kommen, sei zum anderen der Ersatz des fossilen Kerosins durch nachhaltige Kraftstoffe wesentlich. Weil das alles dauern werde, benötige man bis dahin einen Übergang in Form des Emissionshandels. Beim Markthochlauf für nachhaltige Kraftstoffe verwies von Randow auf das verpflichtende Vorgehen des europäischen Gesetzgebers.

Der europäische Weg mit der Verpflichtung führe zu erheblichen Mehrkosten und der Gefahr von Carbon Leakage und Wettbewerbsverzerrung. Es bestehe das Risiko der Verkehrsverlagerung an andere Drehkreuze. Zur Vermeidung dieser Effekte gebe es aber faktisch kaum Maßnahmen.

Auf Werners Frage, welche Hindernisse aus Sicht der Politik zu beseitigen sind, um einen klaren und verlässlichen Fahrplan für die Transformation zu bekommen, antwortete Anja Troff-Schaffarzyk, die für Luftverkehr zuständige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion, dass es nicht nur um Klimaneutralität, sondern auch um Wettbewerbsneutralität gehe. Carbon leakage müsse verhindert werden. Die Politik müsse die richtigen Anreize setzen, damit man bei der Verfügbarkeit von Wasserstoff vorankomme. Es werde nicht den einen Weg geben, vielmehr sei Technologieoffenheit gefordert. Außerdem müssten Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.

Dr. Kay Lindemann, Leiter Konzernpolitik und Bevollmächtigter des Vorstands bei der Deutschen Lufthansa AG, betonte, dass der Luftverkehr keine große Alternative zu synthetischen Kraftstoffen habe. Bei der Transformation gehe es aber nicht nur darum, neue Produkte grün und immer nachhaltiger zu machen, sondern man stehe vor der enormen Aufgabe, auch den Bestand zu transformieren. Hier böten synthetische Kraftstoffe die Chance, auch Maschinen im Bestand nachhaltiger zu bekommen.

Schneller als von der europäischen Regulierung vorgesehen, will DHL die Transformation umsetzen. Das bestätigte Volker Ratzmann, Executive Vice President Corporate Public Affairs bei der Deutsche Post/DHL Group. Das Unternehmen verfolge eine sehr detaillierte Roadmap mit Zwischenschritten bis 2030. Für die deutsche Politik sei ein Schritt jetzt ganz wichtig, nämlich aus der Pilotphase der synthetischen Kraftstoffe in die industrielle Entwicklung zu kommen. Mit Blick auf den IRA müsse man festhalten, dass es für Deutschland nicht viele Alternativen dazu gebe, Geld in die Hand zu nehmen, um den Markthochlauf zu fördern und zu zeigen, dass hier ein neuer Markt mit diesen Kraftstoffen entsteht. Der Kraftstoff müsse dann auch denjenigen, die ihn kaufen wollen, zur Verfügung stehen. Allerdings sehe er ein großes Problem in der europäischen Dimension. Insbesondere die EU-Beihilfen stellten ein Hindernis dar, wenn es darum gehe, diese Förderung aufzusetzen.

Als Vertreterin der maritimen Wirtschaft sprach Wybcke Meier, TUI Cruises GmbH, CEO und Vorsitzende der Geschäftsführung. Sie nannte die Kreuzschifffahrt einen Innovationstreiber auf den Meeren. Ziel sei es, die Kreuzfahrt so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Dies würde durch den Trend unterstützt, dass gerade beim Urlaub dem Thema Nachhaltigkeit eine große Bedeutung zukomme. Die TUI Cruises betreibe zudem sehr energieeffiziente Schiffe. Trotzdem wolle man noch besser werden und die Emissionen weiter reduzieren. Dafür brauche man eine Umrüstung der bestehenden Flotte. Hier seien die Motorenhersteller gefragt, denen zufolge bis 2024/25 eine Umrüstung möglich wird. Und man brauche den Ersatz des fossilen Kraftstoffes. Ob E-Fuels oder Biofuels, benötigt werden ein koordinierteer Hochlauf der Produktion von maritimen Kraftstoffen.