16.01.2023
FF Infrastruktur und Mobilität

Die Bundesregierung will den Ausbau der Ladeinfrastruktur und damit den Hochlauf der Elektromobilität beschleunigen. Eine entsprechende Gesamtstrategie legte sie im Oktober 2022 mit dem Masterplan Ladeinfrastruktur II vor. Er enthält 68 Maßnahmen zu den Themen Förderung, Kommunen, Flächen, Stromnetzintegration, Laden an Gebäuden sowie schwere Nutzfahrzeuge. Ob mit dem Masterplan ein praxistauglicher Weg gefunden wurde, wie die Integration der Infrastruktur an das Stromnetz gelingt, welche Rolle die Kommunen spielen und wie die Marktteilnehmer die Entwicklung bewerten, waren nur einige Themen der digitalen Arbeitssitzung im Fachforum Mobilität und Infrastruktur am 13. Januar. Fachforenleiter Prof. Dr.-Ing. Thomas Schwarz moderierte den Austausch der Verbandsmitglieder mit Johannes Pallasch, Sprecher der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, und Martin Roemheld, VP Business Development bei Elli | Volkswagen Group Charging GmbH.

Wie Thomas Schwarz in seiner Eröffnung feststellte, sei mittlerweile klar geworden, dass die direkte Elektrifizierung der Neuwagenflotte bei den Pkw das Maß der Dinge sei und bei den Lkw eine signifikante Rolle spiele. Als „Enabler“ dieser Entwicklung benötige es eine Ladeinfrastruktur (LIS), für deren Ausbau der Masterplan den strategischen Rahmen schaffe. Schwarz ging auf den jüngsten Mobilitätsgipfel im Kanzleramt ein, der deutlich gemacht habe, dass vor allem die Energie- und Automobilwirtschaft gefordert seien.

Johannes Pallasch erinnerte daran, welch gewaltige Transformation der Verkehrssektor durchlebe. Angesichts des bestehenden Regelwerks und zahlreicher Gesetze, die Elektromobilität nicht berücksichtigten, bestünde hier erheblicher Anpassungsbedarf. Dem abzuhelfen, sei eins der Ziele des Masterplans. Zum anderen gehe es aber auch darum sicherzustellen, dass das Ergebnis für die Kundinnen und Kunden stimme, also entsprechend viel Ladeinfrastruktur in der Fläche entstehe und der Bedarf gedeckt werde. Der Masterplan hebe zudem darauf ab, den Nutzerkomfort zu erhöhen. Er betonte, dass der Masterplan eine Ergebnissammlung aus der Industrie sei, der überwiegende Teil der Maßnahmen also aus der Praxis an die Leitstelle herangetragen worden sei.

Masterplan als zentrale Leitlinie
Pallasch hob zudem den sehr konstruktiven Austausch zwischen den Ressorts hervor; die Zusammenarbeit in der Bundesregierung habe sich deutlich verbessert. Es sei wichtig, dass der Masterplan als zentrale Leitlinie fungiere. Das gelte nicht nur für die Kunden, sondern auch für diejenigen, die den Aufbau betreiben, die „CPOs“, die dafür sorgten, dass schließlich Ladeinfrastruktur auf den Straßen und den Parkplätzen stünden.

Die Unterstützung der CPOs in den Unternehmen sei auch deshalb so entscheidend, weil der Staat weder den Aufbau noch den Betrieb der Ladeinfrastruktur verantworte, stellte der Sprecher der Nationalen Leitstelle klar. Das setze die Industrie um, die dies zudem viel schneller könne. Dies entspreche auch dem Verständnis des Masterplans, nämlich so viel wie möglich über die Initiative der Industrie aufzubauen. Andererseits wisse man aber aus Kundensicht, dass beim Aufbau der Infrastruktur nach reiner Marktlogik – also nur an Standorten, die sich profitabel darstellen lassen –, einige Standorte unberücksichtigt blieben. Deshalb sei es ein Anliegen der Nationalen Leitstelle, die Entwicklung so zu flankieren, dass eine Flächen- und Bedarfsdeckung gegeben ist.

Die ausreichende Bereitstellung von Ladepunkten stelle allerdings eine große Herausforderung dar. Deshalb sei man froh, dass der Prozess gegenwärtig gut laufe. Nun gelte es sicherzustellen, dass es bei dieser Geschwindigkeit bleibe, ebenso wie die regionale Durchdringung. Im europäischen Vergleich stünde Deutschland aber „sehr, sehr gut“ da, so Pallasch.

Er stellte auch die wichtige Rolle der Kommunen heraus. Gerade beim „Vor-Ort-Laden“ derjenigen Nutzerinnen und Nutzer, die keinen eigenen Stellplatz haben, komme den Kommunen eine Schlüsselrolle zu. Die Leitstelle setze deshalb hier einen Schwerpunkt, damit die große Aufgabe bis 2030 gestemmt werden könne. „Das wird ja perspektivisch ein Standortfaktor“, sagte Pallasch.

Martin Roemheld von der VW-Tochter Elli ging auf den Stand der Umsetzung aus OEM-Perspektive ein. Elli steuert alle Aktivitäten im Bereich Laden und Energie für den gesamten VW-Konzern in Europa. Ein Schwerpunkt ist die Integration der Ladeinfrastruktur in das Energienetz der Zukunft. VW habe sich des Themas global angenommen. Weil man auch die Entwicklung in den USA und in China sehe, gebe es interessante Einblicke und Vergleichsmöglichkeiten. So sehe man gerade in Chinas Großstädten, was passiere, wenn Menschen nicht zuhause laden können. Demgegenüber stünden Flächenstädte in den USA, wo viele Menschen ihren eigenen Ladepunkt hätten.

Masterplan verfolgt richtigen Ansatz
Immer mehr OEMs fahren aus Sicht Roemhelds das Thema E-Mobilität hoch. Mehrere Tausend Fahrzeuge pro Tag würden produziert. Hinke aber die Infrastruktur mit Genehmigungsverfahren und Infrastrukturzeiträumen hinterher, könne die Welle schnell die Infrastruktur überrollen. Nach wie vor sei die Infrastruktur einer der Hauptgründe, die aus Kundensicht gegen den Erwerb eines E-Autos sprächen. Roemheld erläuterte die Unterschiede zwischen Stadt und ländlichem Raum beim Ausbau der LIS. Im ländlichen Raum, mit Eigenheim und Fläche, bestünde eher die Möglichkeit, einen eigenen Ladepunkt aufzubauen, als im urbanen Raum. In den Städten lebten aber mehr als zwei Drittel der Bevölkerung. Die Hypothese, alle Menschen würden zuhause oder bei der Arbeit laden, sei überholt. Auch deshalb verfolge der Masterplan den richtigen Ansatz.

Roemheld zeigte sich überzeugt, dass es eine deutliche Entwicklung in Richtung öffentlicher und Autobahn-LIS geben werde. Aus Sicht des Unternehmens passiere vor allem in den Plattformen einiges in Richtung Ladeleistung. Um diesen Trend zu unterstützen und um das E-Auto massenmarkt-, langstrecken- und erstfahrzeugfähig zu machen, müssten Ladezeiten erreicht werden, die sich näher an das Tanken heranentwickelten. Das strategische Ziel bei VW seien hier 400km in 10 Minuten.

Mehr „Workplace Charging“ gefordert
Generell bewertete der Unternehmensvertreter den Masterplan positiv. Er gehe aus Sicht des OEM in die richtige Richtung, etwa bei der Technik der Infrastruktur, die zur Technik der Fahrzeuge passe. Der Masterplan berücksichtige aber auch die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden etwa beim Thema Flächendeckung. Nachholbedarf bestehe aber beim Heimladen. Hier gebe es aktuell einen deutlichen Rückgang beim Aufbau des Heimladens, während sich in der Vergangenheit die generöse Förderung bewährt habe. Zu kurz komme auch das Thema „Workplace Charging“. Jedes Fahrzeug, das im Laufe der Woche bei der Arbeit laden könne, entlaste die öffentliche Ladeinfrastruktur. Dies stelle auch einen Anreiz für Arbeitgeber dar, die Flotten zu elektrifizieren und ihren eigenen CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Insgesamt, so resümierte Roemheld, fiele deshalb die Zufriedenheit mit dem Masterplan mit 90 Prozent hoch aus, lediglich bei 10 Prozent sehe man weiteren Arbeitsbedarf.