Die Transformation zur Klimaneutralität ist eine der aktuell drängendsten Herausforderungen. Flankiert wird diese Aufgabe von den beiden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts – dem Klimabeschluss 2021 und dem Beschluss zum zweiten Nachtragshaushalt 2021 mit den darin vorgesehenen 60 Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Dass es uns dennoch gelingen kann, klimaneutral zu werden und eine starke Wirtschaft zu haben, betonte Verbandspräsidentin Prof. Dr. Ines Zenke zu Beginn der Veranstaltung „Strukturwandel in Deutschland: Die Länder im Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Schuldenbremse“. Den Ländern kommt bei der Umsetzung eine zentrale Rolle zu. Mit unseren Gästen Andreas Stoch, Landes- und Fraktionsvorsitzender der SPD Baden-Württemberg, und Dr. Frank Nägele, Strukturwandelbeauftragter der Saarländischen Landesregierung, sprachen wir bei der von Vizepräsidentin Dr. Tanja Wielgoß moderierten Digitalkonferenz genau darüber, nämlich wie die Transformation (und insbesondere deren Finanzierung) gelingen kann.
Andreas Stoch skizzierte, dass der massive Investitionsbedarf mit öffentlichen Geldern allein nicht zu stemmen sei. Entscheidend sei daher, private Investitionen zu fördern und Anreize zu stärken. Vor allem brauche es Modelle, wo privates Kapital die staatliche Finanzierung stützt und im Gegenzug Rendite und Abschreibungszeiträume großzügiger gehandhabt werden. Dazu seien politischer Mut und Investitionsbereitschaft gefragt. Die Schuldenbremse, wie sie derzeit im Grundgesetz verankert ist, sei vor diesem Hintergrund ökonomisch nicht haltbar. Stattdessen benötige es eine Unterscheidung zwischen konsumtiven und investiven Ausgaben, wie sie bei Anwendung der „Goldenen Regel“ vorgesehen ist und in einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier des SPD-Wirtschaftsforums gefordert wird.
Dr. Frank Nägele ging auf die Frage ein, wie wir mit der aktuellen Situation umgehen und dennoch handlungsfähig sein können. Ohne zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten, wie sie das Saarland mit dem Transformationsfonds als erstes Bundesland geschaffen hat, sei der industrielle Umstieg auf Wasserstoff nicht finanzierbar, betonte der saarländische Strukturwandelbeauftragte.
Intensiv wurde darüber diskutiert, wie parteiübergreifend Lösungen gefunden werden können. Dass Deutschland kein Schulden-, sondern ein Wachstums- und Investitionsproblem hat, betonte Andreas Stoch. Dass es angesichts dessen keine Option ist, nichts zu unternehmen, wurde in der Diskussion einmal mehr klar. Denn Europa befindet sich im Wettbewerb mit Ländern, in denen die Schuldendebatte gar nicht geführt wird – so dass ein erheblicher Wettbewerbsnachteil für den europäischen Binnenmarkt im Außenverhältnis entsteht. Einig waren sich die Diskutantinnen und Diskutanten darin, dass noch stärker betont werden müsse, wofür die Mittel vorgesehen sind und warum es dafür Reformen bedarf. Den vorherrschenden Stabilitätsgedanken zu durchbrechen, sieht Andreas Stoch dabei als zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe.
Wir danken Andreas Stoch und Dr. Frank Nägele für die Einblicke aus der Länderpraxis und den gemeinsamem Austausch. Viele kluge Vorschläge liegen aktuell auf dem Tisch – wir bleiben im Gespräch, wie diese adressiert und vorangetrieben werden können.