Bundesforschungsministerin Anja Karliczek und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier haben am 29. August Pläne zur Gründung einer Agentur für Sprunginnovationen vorgestellt. Sie soll innovative Ideen am Markt positionieren und Anfang 2019 die Arbeit aufnehmen. Im Fokus stehen dabei Künstliche Intelligenz, medizinische Forschung und neue Formen der Mobilität. Ausgestattet wird die neue Agentur mit rund einer Milliarde Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren. Viel zu wenig, sagt der Vizepräsident des Wirtschaftsforums der SPD, Robert M. Maier.
Herr Maier, die Bundesregierung will mit der Agentur für Sprunginnovationen eine Aufholjagd bei Hightech-Entwicklungen starten. Kann das gelingen?
Offenbar hat es sich bis ins politische Berlin herumgesprochen, dass wir bei digitalen Geschäftsmodellen und Künstlicher Intelligenz von den USA und China immer weiter abgehängt werden. Schön, dass die Bundesregierung jetzt gegensteuern will. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch ein sehr kleiner. Denn mir ist das immer noch zu wenig – vor allem mit Blick auf die Finanzierung. Eine Milliarde Euro erhalten US-amerikanische oder chinesische Start-ups in einer einzelnen Finanzierungsrunde. Außerdem wird als Vorbild einer Staatsagentur ja gerne die DAPRA herangezogen. Sie untersteht dem US-Verteidigungsministerium und hat einst das Internet miterfunden. Ihr Budget beträgt alleine im Jahr 2018 rund drei Milliarden Euro – also das 30fache des jährlichen Budgets der neuen Agentur. Auch China investiert immense staatliche Mittel in KI-Projekte. Da werden wir mit jährlich 100 Millionen Euro nicht sehr weit kommen. Große Sprünge sind so nicht zu erwarten.
Sie fordern eine bessere finanzielle Ausstattung der geplanten Agentur – was ist noch entscheidend für den Erfolg?
Die Entwicklung des MP3-Players ist ein gutes Beispiel. Der Standard wurde am Fraunhofer-Institut in Erlangen entwickelt, die ersten Geräte kamen aus Asien – aber das große Geld verdient bis heute der Apple-Konzern mit iTunes. Das ist nach wie vor das Trauma deutscher Innovationspolitik: Es geht nicht nur um bloße Technologieentwicklung, sondern darum, neue, manchmal disruptive Ideen bis zur Marktreife zu bringen. Und das ist auch der Gradmesser für den Erfolg der Agentur: Wie weit lässt sie sich auf den Gründergeist und die Risikobereitschaft kreativer Start-ups ein? Wie eng werden die Projekte mit der Wirtschaft und der Wissenschaft verzahnt? Und wird der Markt von Beginn an mitgedacht? Ausgründungen aus Universitäten und Lehrkräfte, die Risikobereitschaft und Unternehmertum fördern, sollten nicht die Ausnahme, sondern die Regel werden. Denn am Ende müssen Produkte entstehen, die sich durchsetzen. Und dafür braucht man Unternehmen, vor allem junge, dynamische Start-ups.
Wovon es in Deutschland immer noch viel zu wenige gibt …
Genau. Die Gründungsintensität in Kanada war 2017 um das Dreifache, in den USA um das Zweieinhalbfache höher. Dort gibt es heute einfach mehr Innovationstreiber am Markt. Und das liegt auch am fehlenden Geld. Zwar haben sich in Europa die Investitionen von Risikokapital in Start-ups in den letzten fünf Jahren auf knapp 16 Milliarden Euro mehr als verdreifacht. Im Vergleich zu den USA gibt es aber immer noch eine erhebliche Finanzierungslücke. Dort wurden im vergangenen Jahr Mittel in Höhe von fast 64 Milliarden Euro für junge Unternehmen mobilisiert. Das macht die finanziellen Dimensionen deutlich. Angesichts des internationalen Wettbewerbs der Technologiestandorte schwächt dieser Kapitalmangel die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft nachhaltig. Die robuste wirtschaftliche Lage in Deutschland verdeckt, dass bei digitalen Geschäftsmodellen der Abstand zu den USA und China immer größer wird.
Wenn wir von Investitionsmitteln einmal absehen, was muss getan werden, um mit Amerikanern und Chinesen mitzuhalten?
In Europa müssen regulatorische Hürden fallen und die Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups und innovative Unternehmen müssen spürbar verbessert werden. Wer in Deutschland mit einer IT-Dienstleistung Erfolg haben will, braucht den europäischen Binnenmarkt – und muss sein Angebot rechtlich und finanziell auf ganz Europa ausweiten können. Und digitale Geschäftsmodelle setzen eine moderne Infrastruktur voraus. Dass wir in Deutschland etwa beim Breitbandausbau Nachholbedarf haben, ist eine Binsenweisheit. Um endlich mit anderen Ländern schritthalten zu können, müssen jetzt alle Kräfte und Kompetenzen gebündelt werden. Bei der neuen Mobilfunktechnik 5G müssen wir führend werden, nicht zuletzt auch um im Bereich des automatisierten Fahrens Vorreiter zu sein. Die Zuständigkeiten für digitalpolitische Themen sind in der neuen Bundesregierung aber auf ganze 14 Ministerien und fast 500 Mitarbeiter aufgeteilt. Hinzu kommen externe Stellen wie der Digitalrat oder die neue Agentur für Sprunginnovationen. Das bedeutet wahnsinnig viel Koordinationsaufwand. Das Wirtschaftsforum der SPD fordert schon lange eine echte Digitalagentur, die diese wichtige Aufgabe übernimmt – und auch Fragen der digitalen Bildung, des E-Governments, der Datensicherheit und Datensouveränität gezielt angeht. Dafür setze ich mich ein.
Vielen Dank für das Gespräch!