16.12.2022
FF Außenwirtschaft und Europa FF Energie und Klima

Die Einführung einer europäischen Gaspreisbremse ebenso wie eine kluge Antwort Europas auf den US Inflation Reduction Act waren Themen des heutigen „Wirtschaftsbarometers“ mit dem Europaabgeordneten Joachim Schuster. Im Gespräch mit Verbandsmitgliedern stellte er dar, woran sich die Kritik anderer EU-Mitgliedstaaten an Deutschlands Agieren in der Energiekrise entzündete. Die hohen Energiekosten in Europa auf der einen, die Subventionen des IRA auf der anderen Seite schaffen aus Schusters Sicht eine Situation, in der Unternehmen Produktionsverlagerungen ernsthaft erwögen. Hier müsse Europa mit einer klugen Antwort gegenzusteuern. Konkret sprach er sich für Änderungen des EU-Beihilferechts aus. Den Austausch moderierte Verbandsvizepräsidentin Prof. Dr. Susanne Knorre.

Schuster, der unter anderem Mitglied in den Ausschüssen für Internationalen Handel sowie Wirtschaft- und Währung des Europäischen Parlaments ist, skizzierte in der aktuellen Diskussion über eine europäische Gaspreisbremse die Wahrnehmung Deutschlands aus Sicht anderer Mitgliedstaaten. Deutschland habe in großem Stil und auch zu hohen Preisen Energie eingekauft und damit selbst zum Preisanstieg beigetragen. Für die Probleme anderer Länder aufgrund der enormen Preissteigerungen sei Deutschland also mitverantwortlich. Gleichzeitig stünden Deutschland – im Unterschied zu vielen anderen Mitgliedstaaten – genügend Mittel zur Verfügung, um die Belastungen der Verbraucherinnen und Verbraucher abzufedern. Wenn es aber darum gehe, eine konzertierte europäische Antwort etwa in Form eines EU-weiten Gaspreisdeckels zu geben, verhalte sich Deutschland wenig solidarisch. Schuster bezog sich auf den nach wie vor nicht gelösten Konflikt über das Preisniveau der EU-Gaspreisbremse. Deren Ziel sei es nicht, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu subventionieren, sondern auf dem Markt einen Preisdeckel durchzusetzen, um die Kosten insgesamt zu reduzieren. Bei der Frage des Preisniveaus habe Deutschland einen vergleichsweise hohen Preis vorgeschlagen mit der Begründung, bei einem zu niedrigen Preis werde Energie nicht mehr nach Europa, sondern an besser zahlende Abnehmer geliefert.  Nach Ansicht Schusters könne der Vorschlag so aber praktisch keine Wirkung entfalten.

In dem Zusammenspiel zwischen der eigenen (teuren) nationalen Antwort – mit unmittelbaren Folgen für die anderen Mitgliedstaaten – und dem vermeintlichen Verweigern einer gemeinsamen europäischen Einkaufspolitik, mit der Preissenkungen erreicht werden könnten, werde Deutschland insgesamt als wenig solidarisch wahrgenommen, schilderte Schuster seinen Eindruck. Hinzu komme das Thema der europäischen Schuldenbremse, bei der Deutschland traditionell eine restriktive Politik verfolge. Dass Deutschland in der jetzigen Situation einem europäischen Solidaritätsfonds kritisch gegenüberstehe, werde von anderen Mitgliedstaaten als problematisch wahrgenommen.

Auch auf den US Inflation Reduction Act (IRA) ging der SPD-Europaabgeordnete ein. Die USA setzten damit eine „America First“-Politik fort, indem Subventionen nur an Unternehmen vergeben würden, die in den USA produzierten. Aus Sicht des Europaabgeordneten handelt es sich um Protektionismus, der eindeutig den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) widerspricht. Von handelspolitischen Vergeltungsmaßnahmen riet er ab. Hier bestünde die Gefahr eines Handelskrieges mit entsprechenden Wohlstandsverlusten, zumal der EU-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) von vielen Drittstaaten als reiner Protektionismus verstanden würde, der nur formal umwelt- und klimapolitisch begründet sei.

Änderung des EU-Beihilferechts erforderlich

Dagegen sprach sich Schuster für eine Änderung der EU-Beihilfepolitik aus, wie von der Kommission vorgeschlagen. Für dringend erforderlich hält er es, Beihilfen für Unternehmen in Europa zu erleichtern und damit gleichzeitig in die Offensive zu kommen und zu versuchen, die europäische Wirtschaft klimaneutral aufzustellen. Dafür habe die Kommissionspräsidentin bereits einen schuldenfinanzierten Souveränitätsfonds in Gespräch gebracht, aus Sicht Schusters die richtige Orientierung. Gleichzeitig wies er auch auf positive Seiten des IRA hin. Mit der Subventionierung würde die klimaneutrale Produktion in den USA befördert. Dies werde über den Preismechanismus versucht, indem klimaneutrale Produkte entsprechend günstiger würden. Dagegen verfolge Europa eher den Ansatz, die Umstellung von Produktionsweisen direkt zu unerstützen.

Für Joachim Schuster müssen Energiepreise und IRA zusammen gedacht werden. Der Inflation Reduction Act allein würde nicht dazu führen, dass europäische Unternehmen in relevanten Maß an Produktionsverlagerungen dächten. Aber im Kontext der Energiepreissteigerungen sei das Belastungsniveau für viele Unternehmen so hoch, dass sich für einige Unternehmen eine Verlagerung zumindest von Teilen der Produktion in die USA betriebswirtschaftlich rechne und ernsthaft erwogen würde. Deshalb benötige Europa eine Art Industriestrompreisdeckel verbunden mit einer Entlastung vor allem der industrieintensiven Unternehmen. Auf der anderen Seite müsse Europa den USA etwas entgegensetzen, indem auch die EU den klimaneutralen Umbau fördere. Allerdings anders als in den USA solle dies in Europa direkt geschehen, indem die Umstrukturierung von Produktionsweisen unterstützt werde. Das geschehe bereits heute und müsse weiter verstärkt werden.