• Präsidium des Wirtschaftsforums der SPD e.V. (Harald Christ, Prof. Dr. Ines Zenke, Robert Maier, Dr. Michael Frenzel) © Wirtschaftsforum der SPD e.V. / Marco Urban
26.08.2019
Allgemein FF Energie und Klima FF Infrastruktur und Mobilität FF Kommunales FF Ressourcen und Nachhaltigkeit Pressemitteilung

Klimaschutz ist das Thema der Stunde – in der Gesellschaft ebenso wie in der Wirtschaft und Politik. Am 27. Mai 2019 wurde das Klimaschutzgesetz von Bundesumweltministerin Svenja Schulze in die Ressortabstimmung gebracht. Alle Ministerien können jetzt zu dem Gesetzentwurf Stellung beziehen. Am 20. September 2019 sollen die Ergebnisse des Klimakabinetts bekanntgegeben werden. Geht es nach dem Koalitionsvertrag, wird noch in diesem Jahr ein Klimaschutzgesetz verabschiedet werden. Eine Alternative hierzu gibt es nicht. Deutschland ist nach der europäischen Klimaschutzverordnung 2018 verpflichtet, bis 2030 38 % der Emissionen zu senken.

„Schaffen wir das nicht, wird es teuer für Deutschland“, sagt Vizepräsidentin Prof. Dr. Ines Zenke. „Denn dann müssen Emissionsberechtigungen von anderen EU-Ländern erworben werden. Die Kosten hierfür können sich bis 2030 auf 30-60 Mrd. EUR summieren. Das Budget des Bundeshaushaltes für Verteidigung oder Verkehr liegt bei ca. 43 Mrd. EUR bzw. 30 Mrd. EUR. Mit Sepp Herberger gesprochen, heißt das: Das Runde muss ins Eckige. Es geht nur um das Wie.“

Erfolgreicher Klimaschutz muss effektiv, zukunftsorientiert, wettbewerbs- und sozialverträglich sein.

Dies bedeutet:

  • ein Handeln mit sauber definiertem Instrumente-Bündel: Förderungen, CO2-Abgabe, Aufforstung und perspektivische Ausweitung des EU-Emissionshandels (ETS);
  • europäische und globale Lösungen zu fördern und national jetzt tätig zu werden;
  • die Sozialverträglichkeit zu gewährleisten und positive Anreize zu setzen – für Verbraucher*innen und Wirtschaft;
  • die Wirtschaft als Partner des Klimaschutzes zu unterstützen und Innovationspolitik neu zu denken.

Der Klimaschutz besitzt mit dem europäischen Emissionshandel eine lange und durchaus erfolgreiche Tradition. Die europaweit ca. 12.000 und deutschlandweit rund 1.900 Energie- und Industrieanlagen mindern ihre Treibhausgasemissionen auf dem mengen- und handels-basierten Modell des Cap & Trade. Für jede ausgestoßene Tonne COmuss ein Zertifikat abgegeben werden.

Nach der europäischen Mengenverknappung des Backloading und der Marktstabilitäts-reserve liegt der Preis eines Zertifikates bei knapp 30 EUR, was diverse Minderungs-anstrengungen wirtschaftlich erscheinen lässt. Ein CO2-Mindestpreis würde dieses System konterkarieren und ist abzulehnen. Deutschland braucht eine gesunde Wirtschaft und keine Abwanderung der Unternehmen ins Ausland, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Der europäische Emissionshandel erfasst heute etwa 45 % der gesamten Treibhausgasemissionen der EU. Über die Hälfte der Emissionen stammt demnach aus Sektoren außerhalb des geltenden Emissionshandelssystems, vor allen Dingen aus den Bereichen Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft.

Auf der Hand liegend ist die Ausweitung des ETS auf andere Emittenten. Dies kann durch die Einbeziehung weiterer klimawirksamer Gase erfolgen. Von den sechs, 1997 im Kyoto-Protokoll benannten Gasen wurde erst ein Teil im ETS aufgegriffen. Weitere emittierende Anlagen könnten einbezogen werden. Nachdem der Flugverkehr teilweise dem ETS unterliegt, sollte weiter über drittstaatliche Flüge mit EU-Berührung gesprochen werden, da uns auch hierfür das ETS geeigneter erscheint als das ab 2020 geltende Offsetting-System CORSIA.

Und natürlich ist die Ausweitung des Emissionshandels auf andere Sektoren denkbar. Regulär steht die Modifizierung des europäischen Emissionshandels für die 5. Handelsperiode ab 2031 an. Eine zeitlich frühere Ausweitung ist möglich, aber zeitlich hoch ambitioniert. Für die Novelle der 4. Handelsperiode 2020-2030 brauchte der schon fertige (komplizierte, aber immerhin weitgehend System kohärente) Kommissionsvorschlag vom Sommer 2015 drei Jahre bis zum Inkrafttreten. Hinzu kommt die operative Umsetzung.

Der ETS ist ein effektives und vor allem auch europäisches Vorgehen mit dem verbindlich eine Maximalmenge an CO2 festgelegt, Carbon Leakage durch Regelungen für abwanderungsbedrohte Industrieunternehmen verhindert und Planungssicherheit hergestellt werden kann.

Klimaschutz und Klimaschutzverordnung nimmt jedoch nur Ernst (genug), wer nicht schlicht auf die europäische Ausweitung des ETS verweist, sondern im Heute denkt, welche weiteren Maßnahmen möglich und geboten sind. Sozialverträglichkeit und Wettbewerbsfähigkeit sind Determinanten auf dem Weg zur Lösung.

Neben dem Ausbau des ETS-Handels sollten auch vermehrt Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung für die Förderung von Klimaschutzmaßnahmen verwendet werden. Dazu gehört auch die Aufklärung von Verbraucher*innen in allen europäischen Ländern – das Thema Klimaschutz ist noch nicht überall in der EU in gleichem Maße präsent. Ebenso sollten aus EU-Mitteln europäische Innovations- und Forschungszentren in Kooperation mit Unternehmen und der Wissenschaft gefördert werden. Zur Finanzierung muss auch die heilige Kuh der Agrarsubventionen in Frage gestellt werden. Perspektivisch gilt es über die EU hinaus zu denken und Klimaschutz z.B. aktiv in Handelsabkommen zu integrieren. Ein globales Thema wie der Klimawandel, erfordert globale Maßnahmen – aber ebenso ein zeitnahes Handeln auf nationaler und europäischer Ebene, solange kein globaler Konsens erreicht werden kann.

Zu einem erfolgreichen Maßnahmenbündel gehört auch die Aufforstung von widerstands-fähigen und klimastabilen Mischwäldern. Eine, möglichst globale, Aufforstung kann ein weiterer, wichtiger Schritt zur Bekämpfung des Klimawandels sein. Demgegenüber ist ein „Mini-Emissionshandel“, der nur Deutschland und nur bestimmte Sektoren beträfe, ein schwieriger Ansatz. Erstens besteht die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung in (mindestens) Europa, zweitens müsste ein solcher Sonderweg sorgfältig in Abgrenzung zu weiteren Belastungen gestaltet und erprobt werden, was einen Effekt innerhalb der nächsten Jahre ausschließen dürfte, und drittens sind eine enorme Komplexität und erhebliche administrative Anstrengungen aller Beteiligten zu befürchten.

Diskutiert werden verschiedene Konzepte einer CO2-Bepreisung. Mit der Einführung einer CO2-Steuer hat sich der wissenschaftliche Dienst des Bundestages auseinandergesetzt. Anders als teils reflektiert, ist die Einführung einer solchen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings wird für bestimmte Ausgestaltungen eine Grundgesetzänderung für erforderlich gehalten, weil das Grundgesetz neben Verbrauchs-, Aufwands- und Verkehrssteuer keine weiteren Steuertatbestände kennt. Damit muss – ändert man das Grundgesetz nicht – eine der Kategorien in der Ausgestaltung getroffen werden, was die einfachste Lösung, die Steuer auf die CO2-Emissionen, per se ausschließt. Weiter ist die harmonisierte Energiesteuer-Richtlinie zu beachten. Wer der Emissionshandelsrichtlinie unterfällt, also Teil des ETS ist, muss ebenfalls von einer (Doppel-)Besteuerung ausgenommen sein. Eine CO2-Abgabe könnte einer CO2-Steuer vorzuziehen sein, da ihre Einnahmen zweckgebunden für Maßnahmen für den Klimaschutz und zur Rückverteilung an Bürger*innen und Unternehmen eingesetzt werden können. Egal jedenfalls, welche technische Lösung am Ende gewählt wird: Die Lenkungswirkung, nicht die Einnahme von Mitteln, sollte die Prämisse sein.

Sollen Emissionsreduktionen erreicht werden, sind nicht nur Ge- und Verbote, sondern vor allem auch positive Anreize zur Verhaltenslenkung zentral. Hier ist vielerlei denkbar, förderbar und dem einzelnen Bürgern*innen vermittelbar. Die Schwarmintelligenz und -wirkung muss viel mehr abgerufen werden.

Denn: Eine dauerhafte Akzeptanz und Tragfähigkeit von Klimaschutzmaßnahmen kann nur gelingen, wenn die Sozialverträglichkeit für die Bürger*innen und die Wettbewerbs-fähigkeit der Wirtschaft gewährleistet ist. Eine weitgehende Rückverteilung der Einnahmen durch die CO2-Abgabe an die Verbraucher*innen ist daher unerlässlich. Ebenso gilt es, die Wirtschaft zu entlasten.

Bei der Rückverteilung muss auch berücksichtigt werden, dass klimafreundliche Alternativen im ländlichen Raum meist in geringerem Maße zur Verfügung stehen als in Städten. Ebenso wenig dürfen Pendler*innen unverhältnismäßig belastet werden. Wer Verhaltensweisen ändern will, muss die entsprechende Infrastruktur bereitstellen. Die CO2-Bepreisung sollte daher von weiteren Maßnahmen flankiert werden wie der Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Fernverkehrstickets von 19 auf 7 Prozent sowie der Senkung der Stromsteuer auf Bahnstrom auf den europäischen Mindestsatz von 0,1 Cent je Kwh. Auch eine Senkung der Stromsteuer und Finanzierung der EEG-Umlage aus Bundesmitteln ist zu befürworten, nicht zuletzt da sie positive Anreize für die Sektorkopplung setzen würde.

Ein erfolgreicher Klimaschutz kann nicht ohne Investitionen und technologische Innovationen stattfinden. Aber diese entstehen nicht im Vakuum – die Wirtschaft ist hier ein unerlässlicher und starker Partner, der bereits vielfach gezeigt hat, wie Klimaschutz durch technologische Innovationen erfolgreich gelingen kann. Die Einnahmen durch die CO2-Bepreisung sollten daher auch für Investitionen, z.B. in die Lade- und Tankinfrastruktur für neue Antriebe sowie den Ausbau und die Erneuerung des Schienennetzes, und zur Förderung von Innovationen und Forschung, u.a. in neue Antriebe, eingesetzt werden. Technologieoffenheit ist hierbei oberstes Gebot. Innovationsplattformen und der Austausch von Best-Practice-Beispielen sollten aktiv gefördert werden.

Klimaschutz ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, die nur durch eine mutige und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Kräfte – Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – gemeistert werden kann. Mit dem richtigen Maßnahmenbündel kann ein effektiver, zukunftsorientierter, wettbewerbs- und sozialverträglicher Klimaschutz gelingen.