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Unser Präsident Dr. Michael Frenzel schreibt in „der freie Beruf“, dem Magazin des Bundesverbandes der Freien Berufe e.V. (BFB), über Unternehmergeist. Der Beitrag „Wollen, können, machen“ erschien in der Ausgabe 4/2019.


„Unternehmergeist“ – ein Wort, das die Gedanken beflügelt. Und eine Frage aufwirft: Wie steht es eigentlich um den Unternehmergeist in Deutschland? Wir sind immer noch Exportweltmeister. Die ersten dunklen Wolken am Exporthimmel müssen uns nicht beunruhigen. Oder? Droht vielleicht doch mehr als ein üblicher Konjunktureinbruch? Verschlafen unsere Unternehmen und unsere Regierung den digitalen Wandel, diese technische Revolution bisher nicht gekannten Umfangs?

Der digitale Wandel ist leider nicht nur ein technischer Knopf. Dann wäre er ja kein Problem. „Die Transformation beginnt im Kopf und nicht im Computer“, sagt Professor Tobias Kollmann von der Universität Duisburg-Essen, Inhaber des Lehrstuhls für E-Business und E-Entrepreneurship und Berater der Bundesregierung, nebenbei auch Erfinder der erfolgreichen Plattform „Autoscout24“. „Wir denken zu sehr in realen Steinen“, stellt er fest. Dabei gehe es um die Nachfrage der Kunden. Und führt mit Airbnb ein plastisches Beispiel ins Feld. Diese Online-Plattform verkauft millionenfach Übernachtungen in aller Welt, ohne ein einziges Hotelzimmer zu besitzen. Oder der Autovermietungsriese Uber, der kein einziges Taxi sein Eigen nennt. Aber beide stillen eine riesige Nachfrage.

Grundsätzlich gilt, was ein weiterer renommierter Wissenschaftler wie Professor Gerrit Heinemann vom Lehrstuhl BWL, Management und Handel an der Hochschule Niederrhein klar sagt: „Digitalisierung ist alternativlos – für alle Unternehmen.“ Trotzdem: Deutschland hinkt bei der Digitalisierung nach Ansicht nahezu aller Fachleute hinterher, hat den Anschluss verloren. USA und China liegen meilenweit vorn, aber auch Zwergstaaten wie Estland handeln höchst digital. Dabei gibt es hoch qualifiziertes deutsches Fachpersonal. Aber viele finden hierzulande keine Jobs. Sie treibt es ins Ausland, vornehmlich in die USA.

 

„Freiberufler können Motoren des digitalen Wandels sein.“

 

Doch noch ist für uns Hopfen und Malz nicht verloren, zumal es an Kapital nicht mangelt – auch nicht an Risikokapital. Aber es bleibt längst nicht immer im Land. Viele Investoren geben es zurzeit lieber im Silicon Valley aus als bei uns. Nicht, weil sie eine Abneigung gegen ihr eigenes Land hegen, sondern weil anderswo ein frischer Geist die Köpfe frei macht: Unternehmergeist, digital getrieben.

Was tun? Salopp gesagt: „Wir müssen uns selbst Feuer unterm Hintern machen.“ Schul- und Ausbildungssysteme umstellen, in Weiterbildung investieren und einen Schulterschluss zwischen Unternehmen und Gesellschaft schaffen. Es geht dabei längst nicht nur um Schüler und Studenten, sondern um alle Arbeitnehmer, die den digitalen Wandel verinnerlichen müssen. „Wollen, können, machen“ – das ist eine gute Reihenfolge.

Freiberufler können Motoren des digitalen Wandels sein. Als Wissensdienstleister treiben sie sich selbst an und leisten gleichzeitig einen wertvollen volkswirtschaftlichen Beitrag. Sie übernehmen Verantwortung, schaffen Vertrauen und sichern Wachstum. Digitalisierung ist beileibe kein Thema nur der Industrie, sondern geradezu ein klassisches der Freiberufler. Die Gesellschaft wird immer komplexer, die Menschen benötigen kompetente Unterstützung. Hochqualifizierte Freiberufler helfen, beraten und vertreten neutral und fachlich unabhängig.

 

„Unternehmergeist der Freiberufler gefragt.“

 

Gefragt ist der Unternehmergeist der Freiberufler. Der digitale Wandel braucht Menschen, die neugierig sind und den Mut haben, neue Dinge zu probieren, innovativ zu arbeiten, ein Risiko nicht scheuen und neue Ideen in Geschäftsmodelle umwandeln. Wir brauchen keine Leute, die etwas nicht wollen und dafür Gründe suchen. Wir brauchen Leute, die etwas wollen und dafür Wege finden.

Staat und Gesellschaft dürfen die Menschen mit Unternehmergeist nicht allein lassen. Doch Deutschland ist kein ausgeprägtes Unternehmerland. Wir haben es gemerkt, als vor einigen Jahren die Wirtschaft wieder wuchs, Unternehmensgründungen jedoch abnahmen.

Nicht selten scheitern Gründungen am fehlenden Startkapital. Banken zicken selbst bei kleinen Summen. Erst langsam setzt sich der Gedanke durch, dass sich Investitionen in junge Unternehmen, in Start-ups, lohnen. Deren Sicherheit liegt für Geldgeber nicht in Immobilien, sondern zwischen den Ohren der Gründer. Förderbanken in Bundesländern rücken mittlerweile leichter als früher Geld aus Sonderprogrammen für Gründer heraus. Auch Gründerwettbewerbe helfen, Digital-HUBs bringen Start-ups und bewährte Unternehmen zusammen, Business Angels sind keine Marsmenschen mehr und der Gründerwettbewerb „Digitale Innovationen“ des Bundeswirtschaftsministeriums kann sich sehen lassen.

Prädestiniert für Gründungen ohne große Ausgaben ist die Informationstechnik-Branche (IT). Grundsätzlich gilt, dass Gründer, namentlich auch freiberufliche, der Sauerteig in der Wirtschaft sind. Gerade die beratenden und technisch-naturwissenschaftlichen Freiberufler bringen Ideen und Dienstleistungen in mittlere und größere Betriebe, die oft zu unbeweglich sind und außerdem Expertise gerne einsourcen.

Der digitale Wandel ist eine strategische Führungsaufgabe. Denn organisches Wachstum erfolgt nur noch digital. Freiberufler mit ihrem sprichwörtlichen Unternehmergeist können dafür sorgen. Warum sollten gerade Freiberufler eigentlich Angst haben vor der Künstlichen Intelligenz (KI)? Sie ist nichts anderes als ein Tool, ein Instrument, aus einer unermesslichen Datenfülle etwas Nutzbares zu machen, das dem Menschen zur Hand geht. Je mehr Daten, desto mehr Erkenntnis. KI braucht zwar Geld, aber vor allem braucht sie Haltung und Willen. Unternehmergeist eben.