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Berlin, 14. Mai 2020 – Der gemeinsame Namensbeitrag „Mit einer zukunftsorientierten Energiepolitik sicher durch die Krise“ der Vizepräsidentin des Wirtschaftsforums der SPD e.V. Prof. Dr. Ines Zenke mit Prof. Dr. Barbara Praetorius, Professorin für Umwelt- und Energieökonomie und -politik an der HTW Berlin war Anlass für einen Online-Artikel des energate. Prof. Dr. Ines Zenke hat unter anderem Stellung zu der zentralen Frage genommen, wie sich Klimaschutz und Wachstumsimpulse verbinden lassen.

Berlin (energate) – Investitionen in grüne Energietechnologien müssen sich für Unternehmen lohnen, fordert Ines Zenke, Vizepräsidentin des SPD-Wirtschaftsforums im Interview mit energate. Den Rahmen dafür können anstehende Konjunkturprogramme setzen. Im Interview spricht Zenke auch darüber, warum es aus Ihrer Sicht wenig sinnvoll ist, den geplanten Brennstoffemissionshandel zu verschieben, und welche energiepolitischen Impulse für mehr Wachstum sorgen könnten.

energate: Frau Zenke, bietet die Coronakrise aus Ihrer Sicht Chancen für einen klimagerechten Umbau der Wirtschaft?

Zenke: Völlig unabhängig von der Sondersituation Coronakrise befinden wir uns bereits mitten in einem globalen Transformationsprozess, der darauf abzielt, das Verhalten der Menschheit zu dekarbonisieren und damit den Temperaturanstieg auf der Erde in den Griff zu bekommen. Die völkerrechtliche Vereinbarung von Paris hat dieses Ziel aufgerufen, die Europäische Union hat es für ihre Mitgliedsstaaten heruntergebrochen. Die europäische Klimaschutzverordnung ist bindendes Recht, das keiner weiteren Umsetzung bedarf. Für Deutschland bedeutet dies: Emissionen senken oder zukaufen. Experten rechnen, dass bis zum Jahr 2030 Ausgleichszahlungen in Höhe des Verteidigungshaushaltes und mehr fällig würden. Schlichtes Nichtstun ist weder mit noch ohne Corona eine Option. Der Treibhausgasemissionen sparende Umbau der Wirtschaft steht also an. Wir reden nur noch über die Frage, wer was leisten soll. Im europäischen Emissionshandelssystem werden die größeren Verbrenner adressiert und bestimmte ausgewählte Industrien. Im nationalen Emissionshandelssystem künftig die Inverkehrbringer von Brennstoffen.

energate: Was bedeutet dies für die Gestaltung von Konjunkturprogrammen?

Zenke: Natürlich ist zu wünschen, dass wir die jetzige Sondersituation dafür nutzen, den Umbau der Wirtschaft zu unterstützen, etwa wenn ohnehin anstehende klimawirksame Investitionsentscheidungen im Rahmen von Konjunkturprogramm vorgezogen werden. Am meisten hilft den Wirtschaftsunternehmen aber Verlässlichkeit: Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die Unternehmen Rechtssicherheit geben und die realistische Möglichkeit, Investitionen zu amortisieren. Und wir müssen die Infrastruktur bereitstellen, die auch in Zukunft die sichere Versorgung zum Beispiel mit Energie und Informationen sicherstellt. Dann wird auch in den klimagerechten Umbau der Wirtschaft investiert. Das Geld und der Wille sind da – auch das ganz unabhängig von Corona.

energate: Welche energiepolitischen Elemente sollten enthalten sein?

Zenke: Lassen Sie mich Ihnen drei Beispiele nennen, die aus meiner Sicht in Konjunkturprogrammen enthalten sein sollen. Erstens muss es für die Unternehmen, die investieren – sei es in Erneuerbare, verstärkte Netze, Energiespeicher, effizientere Maschinen oder bei der Umstellung auf Wasserstoff – eine klare Perspektive geben, wie das investierte Geld auch zurückverdient werden kann. Fehlt diese Perspektive, weil etwa wechselhafte Regulierungsbedingungen keinen stabilen Business Case ermöglichen, wird das Geld woanders investiert. Das betrifft übrigens auch Themen wie Smart Meter oder die Ladesäuleninfrastruktur.

Zweitens: Wenn wir eine Entlastung für die Bürger schaffen wollen, dann sollten die Nebenkosten des Stroms angegangen werden. Die Energiesteuer und die Umlagen müssen sowieso sinken, um das angestrebte Ziel einer steigenden Elektrifizierung – zum Beispiel im Verkehr und im Wärmebereich – zu erreichen. Hier kann man also mit einer kohlenstofforientierten Reform gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Und drittens sollten wir im Rahmen eines Konjunkturprogramms gleich die Probleme angehen, die durch die Energiewende bereits sichtbar werden. Dazu gehört unbedingt die Frage der Versorgungssicherheit in einer von erneuerbaren Energien geprägten Welt. Eine umfassende Antwort darauf gibt auch der Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes noch nicht, was eine vertane Chance ist. Warum also nicht den Transformationsprozess dort jetzt installieren und die Umrüstung alter Kohlestandorte auf Biomasse fördern? Auch die weit verbreitete Forderung nach dem Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur inklusive -forschung passt hierzu.

energate: Einige Unternehmen und Branchen warnen vor zu starken Auflagen und fordern etwa den Brennstoffemissionshandel zu verschieben?

Zenke: Mit einer Verschiebung der Einführung des BEHG erreicht man meines Erachtens wenig bis gar nichts, weil uns die Pflichten zur CO2-Reduzierung sowieso treffen. CO2 einen Preis zu geben, halte ich auch für den richtigen Ansatz, ich hätte allerdings eine Abgabe als deutlich schlankere Umsetzungslösung präferiert. Das BEHG lässt erwartungsgemäß und bis heute eine Reihe von Fragen offen und erzeugt, auch das ist schon absehbar, im Einzelnen Effekte, die klimaschutzpolitisch ganz sicher nicht gewollt waren, und manche Unternehmen in der Tat stark belasten. All das aber würde eine Verschiebung des BEHG nicht ändern, sondern nur vertagen.

energate: Wie lassen sich Klimaschutz und Wachstumsimpulse verbinden?

Zenke: Klimaschutz und Wachstum werden dort erfolgreich verbunden, wo Klimaschutz auch die wirtschaftlichste Option ist. Dieses Potenzial wird aktiviert, wenn CO2 einen Preis hat, zum Beispiel im europäischen Emissionshandelssystem. Es wird aktiviert, wenn sich realistische Business Cases ergeben, die ein Gesetzgeber – erst recht dann, wenn er sie anreizt – langfristig aushält. Es wird aktiviert, wenn institutionelle und private Investoren ihr Geld gezielt nachhaltig investieren können, weshalb die Strategie der Bundesregierung, Deutschland zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort auszubauen, sehr zu begrüßen ist. Wir werden sehen, zu welchen Innovationen unsere Wirtschaft fähig ist, wenn man sie unter dem Klimaschutzziel auch handeln lässt.

Die Fragen stelle Karsten Wiedemann, energate-Redaktion Berlin.

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