• Biotechnologie als Schlüsselindustrie: Chancen jetzt ergreifen

17.01.2024
  • Positionspapier sieht Potenzial für globale Führungsrolle Deutschlands
  • Deutschland bietet wettbewerbsfähige Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur
  • Wirtschaftsforum der SPD fordert bessere Finanzierungsbedingungen und größere Offenheit für evidenzbasierten Fortschritt

Sie ist weder auf seltene Rohstoffe angewiesen noch erfordert sie übermäßig Energie, dafür wissenschaftliche Expertise, eine vielfältige F&E-Landschaft und begünstigende politische Rahmenbedingungen. Die Biotechnologie spielt schon heute eine wichtige Rolle in Deutschland. Wie Deutschland zudem eine Spitzenposition in der globalen Biotechnologiebranche einnehmen könnte, legt ein aktuelles Positionspapier des SPD-Wirtschaftsforums dar.

Matthias Machnig, Vizepräsident des SPD-Wirtschaftsforums, ist überzeugt: „Biotechnologie ist einer der größten Innovationtreiber in vielen Feldern. Diese Entwicklung muss unterstützt und gefördert werden. Dabei ist ein politischer und öffentlicher Mentalitätswechsel erforderlich. Viele Diskussionen über die Biotechnologie von heute, sind vor allem durch die Urteile und Vorurteile der 80er Jahre geprägt. Das kann sich unser Land nicht leisten.“

Das gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern von Unternehmen, Wissenschaft und Verbänden in einem Hearing-Prozess erarbeitete Papier betrachtet die breiten Anwendungsfelder der Querschnittsbranche, etwa die Entwicklung personalisierter Medikamente und regenerativer Therapien oder die Züchtung von Pflanzenarten, die widerstandsfähiger gegen Schädlinge und Umwelteinflüsse sind, was wiederum die Nahrungsmittelsicherheit und -nachhaltigkeit verbessert. Darüber hinaus spielt die Biotechnologie eine zentrale Rolle in der Umwelttechnik, beispielsweise bei der Reinigung von Ölverschmutzungen oder der Herstellung biologisch abbaubarer Materialien.

Die Branchenexpertinnen und -experten sehen gute Chancen für eine künftige Spitzenposition Deutschlands in der weltweiten Biotechnologiebranche. Dafür müsse aber insbesondere in den Bereichen Strategie, Finanzierung und Mentalität aufgeholt werden. So bedürfe Deutschland etwa einer zielgerichteten und innovativen Strategie zur Stärkung des Biotechnologiesektors. Nur so könne Deutschland in dem global wettbewerbsintensiven Umfeld bestehen. Um die Entwicklung des Biotechnologie-Sektors kontinuierlich zu überwachen und die Rahmenbedingungen zu verbessern, wird etwa die Einrichtung eines Staatssekretärsausschusses empfohlen, ähnlich dem Modell „BioPro“ in Baden-Württemberg.  Dringend erforderlich sei zudem, den Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Regulierung neuer genomischer Techniken vor den Europawahlen im Juni 2024 zu verabschieden.

Zugang zu Finanzierung entscheidend
Weiterhin wird dafür plädiert, Investitionen zu fördern und die Finanzierungsbedingungen von Biotechnologieunternehmen zu verbessern. Im Vergleich zu anderen Ländern mangelt es in Deutschland an adäquater Wachstumsfinanzierung, um Unternehmen bei der Skalierung ihrer Operationen zu unterstützen. Gerade deutsche Startups und KMU in der Biotechnologie fehlt es an einem funktionierenden Finanzierungsökosystem. Wenn sie wachsen und sich weiterentwickeln wollen, stehen sie in der Regel vor größeren Finanzierungshürden als ihre Pendants in den USA. Das Papier fordert deshalb deutlich verbesserte Rahmenbedingungen für den Kapitalmarkt und steuerliche Anreize für Investitionen. Für Prof. Dr. Susanne Knorre, Vizepräsidentin des Wirtschaftsforums der SPD, steht fest: „Mehr Liquidität und leichterer Zugang zu Finanzmitteln für Start-ups und Mittelstand – dies würde nicht zuletzt der Biotechnologie in Deutschland helfen. Das Ende 2023 verabschiedete Zukunftsfinanzierungsgesetz hat gezeigt, wie der Zugang zum Kapitalmarkt vereinfacht werden kann. Jetzt müssen weitere Verbesserungen folgen, wie das auf dem Tisch liegende Wachstumschancengesetz.“

Kritisch nimmt das Papier zudem vorgefertigte Einstellungen insbesondere zur grünen Biotechnologie in den Blick. In der Öffentlichkeit dominiere häufig noch eine in den 1980er Jahren geprägte Wahrnehmung der Biotechnologie, die der großen Bedeutung des Sektors längst nicht mehr gerecht werde, zumal gerade in Deutschland wegweisende und international prämierte Forschung und Entwicklung der Biotechnologie stattfinde. Um Akzeptanz und Vertrauen der Gesellschaft in die Biotechnologie zu stärken, seien besserer Bildungs- und Ausbildungsangebote ebenso wie eine transparente Informationspolitik und die Einbindung der Öffentlichkeit nötig. Neueste Erkenntnisse der Wissenschaft müssten im Rahmen der Gesetzgebung berücksichtigt werden.

Dieser Sektor biete Deutschland, so die Argumentation des Papiers, wie kaum eine andere Branche die Chance auf eine weltweite Spitzenposition, vorausgesetzt eine gezielte Innovations- und Finanzierungsstrategie wird umgesetzt und die Entwicklung der Branche entsprechend politisch flankiert. Dabei kann die Biotechnologie einen wesentlichen Beitrag zu mehr Resilienz und Innovationskraft leisten. Zum Positionspapier.