19.10.2022
  • Chancen nachhaltigen Wachstums verstehen
  • Ressourceneffizienz steigern
  • Vertrauen zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stärken

Die Warnungen des Club of Rome haben an Aktualität nichts eingebüßt. Seit Veröffentlichung des Schlüsselwerks „Die Grenzen des Wachstums“ vor 50 Jahren haben sich vielmehr die Bedingungen weltweit noch verschärft. Klimakrise, Ernährungskrise, Rohstoffabhängigkeit, Artensterben – den Belastungen des Planeten lassen sich unzählige weitere hinzufügen. Wie sich Wachstum in Einklang mit Gesellschaft und Umwelt gestalten lässt, haben Expertinnen und Experten auf Einladung des SPD-Wirtschaftsforums am Dienstagabend in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin dargelegt.

Prof. Dr. Ines Zenke, Präsidentin des SPD-Wirtschaftsforums, verwies in ihrem Eröffnungsstatement auf die „Kipppunkte“, die der Club of Rome mit Blick auf die Belastungsgrenzen des Planeten definiert hat: Nahrungsmittel pro Kopf, industrielle Produktion, Bevölkerungswachstum, Umweltverschmutzung, Rohstoffvorräte. Das nötige Umdenken des Wirtschaftsmodells stünde noch heute auf unserer Agenda, so Zenke. Sie verwies auf die aktuelle Krise, in der aufgrund der unsicheren Energieversorgung und angespannten gesellschaftspolitischen Lage wieder in kurzer Frist vermehrt auf die fossilen Energieträger Kohle und Öl zurückgegriffen werde, um einen Kollaps der Wirtschaft zu vermeiden. „Das ist kurzfristig richtig. Es darf uns jedoch nicht vom Kurs abbringen“, so Zenke weiter. „Und wenn wir derzeit nach positiven Nachrichten suchen, dann kann es uns zumindest optimistisch stimmen, dass das Bewusstsein und der Wille zur klimaneutralen Transformation sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft noch nie so hoch waren“, sagte Zenke.

In ihrer Rede betonte sie, dass nur ein holistischer Ansatz die multiplen Krisen wird adressieren können. Sie ging in dem Zusammenhang auch auf den kürzlich veröffentlichten neuen Bericht des Club of Rome ein. Darin wird eine radikale Energiewende, eine nachhaltige Lebensmittelproduktion, faire globale Steuersysteme, neue Wachstumsmodelle für ärmere Länder, hohe Investitionen in Bildung, Geschlechtergerechtigkeit, Gesundheit und Familie gefordert. Diese Faktoren seien notwendig, um weiterhin Wohlstand zu ermöglichen und gleichzeitig den Planeten aufrechtzuerhalten. Wie vor 50 Jahren lautet auch heute die Erkenntnis: Ein lineares Wirtschaftsmodell lässt sich angesichts begrenzter Ressourcen nicht mehr weiterführen. Vielmehr muss das Ökonomische, Ökologische und Gesellschaftliche zusammen gedacht werden.

Wie dies gelingen kann, führten der Klimaforscher Prof. Dr. Günther Bachmann, Dr. Julia Metz, Leiterin Industriepolitik Agora Energiewende, und Dr. Werner Schnappauf, Vorsitzender Rat für Nachhaltige Entwicklung, in ihren Impulsvorträgen aus. Sie machten deutlich, dass schnellstmöglich die Endlichkeit des Wirtschaftswachstums akzeptieren werden müsste, um strukturelle Maßnahmen für ein verändertes Wirtschaftsmodell zu ergreifen. Auf diese Weise lasse sich der negativ konnotierte Begriff „Grenzen des Wachstums“ positiv in „Chancen nachhaltigen Wirtschaftens“ umdeuten – ein Kompass für die kommenden Jahrzehnte im Umgang mit dem geltenden Wirtschaftssystem.

Über tragfähige Modelle einer zirkulären, resilienten und die Grenzen des Planeten respektierenden Wirtschaft diskutierten anschließend Dr. Thomas Bruhn, Forschungsgruppenleiter am Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) Potsdam und Präsidiumsmitglied des Club of Rome Deutschland, die Wirtschaftsjournalistin und Bestsellerautorin Ulrike Herrmann, Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der Industriegewerkschaft IGBCE, sowie der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzender des Politischen Beirats des SPD-Wirtschaftsforums, Bernd Westphal. Sicherheit durch Wandel sei nur dann möglich, wenn die Mehrheit der Menschen die Notwendigkeit des Wandels anerkennten und gemeinsam darauf hinarbeiteten. Hierfür und für weitere Aufgaben sei es wichtig, Zielkonflikte schnell offenzulegen, um möglichst verbindlich zu klären, wer welchen Beitrag leisten könne – dies setze allerdings gegenseitiges Vertrauen zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft voraus, an dem es noch zu arbeiten gelte.