Die anhaltende Schwäche des Wirtschaftsstandorts Deutschland alarmiert Ökonominnen und Ökonomen. In einem gemeinsamen Papier spricht sich der Wissenschaftliche Beirat des SPD-Wirtschaftsforums mehrheitlich für massive Investitionen in Digitalisierung, Dekarbonisierung und Infrastruktur aus und fordert eine Reform der Schuldenbremse.
Die deutsche Wirtschaft stagniert, das Bruttoinlandsprodukt verharrt auf dem Niveau von 2019. Potenzial- und Produktivitätswachstum sinken, und die Investitionen in Baugewerbe und Anlagen sind viel zu schwach. Deutschland verliert an Wettbewerbsfähigkeit, Investitions- und Innovationskraft, was massive Konsequenzen für den Standort und seine Zukunft hat. So lautet die Diagnose der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter Prof. Dr. Peter Bofinger, Prof. Dr. Sebastian Dullien, Prof. Dr. Britta Gehrke, Prof. Dr. Anke Hassel, Prof. Tom Krebs, Ph.D., Prof. Dr. Carsten Kühl, Prof. Dr. Barbara Praetorius, Prof. Dr. Jens Südekum, Prof. Dr. Achim Truger.
Aus Sicht der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats tragen die Energiepreisexplosion 2022, hohe Inflation und steigende Zinsen zu den schwachen Wachstumszahlen bei. Doch das Hauptproblem liegt aus ihrer Sicht im überholten deutschen Geschäftsmodell, das auf Export und Industrie basiert. Um die notwendige Transformation zu bewältigen, benötige Deutschland massive Investitionen in Digitalisierung, Dekarbonisierung und Infrastruktur.
Die Wettbewerbsfähigkeit eines Standorts hänge wesentlich von Investitionen, Innovationen, Infrastrukturen, Internationalisierung und Integration ab. Deutschland stagniere oder falle in diesen Bereichen sogar weiter zurück. Hinzu komme die Unsicherheit über die wirtschafts- und finanzpolitischen Leitplanken der Ampelregierung.
Die Autorinnen und Autoren des Papiers halten 2024 für ein Schlüsseljahr. Denn jetzt werde über den Haushalt 2025 und die mittelfristige Finanzplanung entschieden. Das sei der entscheidende Zeitpunkt, klare Rahmenbedingungen für Investitionen, Innovationen und Infrastrukturentwicklung zu liefern. Stattdessen erlebe man Streit über Sozialabgaben, Investitionen, Steuersenkungen und die Schuldenbremse. Dies schaffe weitere Unsicherheit und behindere den wirtschaftlichen Aufschwung.
Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats appellieren an die Regierung, Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit des Landes zu übernehmen. Die Ampel müsse von einer Binnenlogik zu einer Problemlogik wechseln, die die wirtschafts-, standort- und investitionspolitischen Herausforderungen in den Mittelpunkt rückt. Jetzt sei eine Politik notwendig, die Wohlstand, Chancen, Wachstum und Nachhaltigkeit sichert. Das beinhalte ein Programm für Wachstum, Investitionen und Innovationen, das eine umfassende Diagnose der Zukunftspotenziale, Bürokratieabbau, öffentliche Investitionen und eine Bildungs- und Qualifizierungsoffensive umfasst. Eine Reform der Schuldenbremse wird dringend angemahnt.
„Deutschland steht an einer Weggabelung: entweder Aufbruch oder Stagnation. Die Bundesregierung ist gefordert. Eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners ergibt keine Zukunft mehr“, schließt der Beirat seinen Appell.
Seit Anfang 2020 unterstützt der Wissenschaftliche Beirat das Wirtschaftsforum der SPD in der Weiterentwicklung seiner Programmatik, trägt mit Grundsatzpositionierungen zur politischen Debatte bei und berät das Präsidium des Verbands zu allen Fragen der Wirtschaftspolitik. Er setzt sich aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen zusammen, insbesondere der Wirtschafts-, Finanz- und Rechtswissenschaften. Sie sind in vielfältigen Forschungsinstitutionen innerhalb und außerhalb Deutschlands tätig. Verbands-Vizepräsident Matthias Machnig koordiniert die Arbeit des Beirates.
Das Papier des Wissenschaftlichen Beirats „Raus aus der Selbstblockade“ ist hier abrufbar.