Berlin, 29. Januar 2020 – Zum heute vom Bundeskabinett verabschiedeten Kohleausstiegsgesetz erklärt Prof. Dr. Ines Zenke, Vizepräsidentin des Wirtschaftsforums der SPD e.V.: „Niemand hat erwartet, dass die Energiewende einfach wird. Der Umbau der Energieerzeugung von konventionellen auf erneuerbare Energieträger setzt neue Paradigmen, eröffnet Perspektiven und fordert Erzeuger, Netzbetreiber und Verbraucher in besonderem Maße. Mit dem Kohleausstieg leistet Deutschland einen notwendigen Beitrag, um den auf bis zu 60 Mrd. Euro teuren Zukauf von Emissionsrechten zu vermeiden. Der Entwurf zum Kohleausstiegsgesetz erfüllt allerdings nicht die Ansprüche, die man erwarten darf. Er vergisst Solar und Wind. Der Umgang mit der Steinkohle wirft Fragen auf. Und ein Anreiz zum Umbau der Kraftwerke auf die zur Unterstützung der Erneuerbaren weiter benötigte Gas-KWK fehlt. Konsequente Energiewende geht anders.“

65 Prozent erneuerbare Energien kommen nicht von selbst

„Koalitionsvertrag und Klimaschutzprogramm 2030 schreiben es fest: Bis zum Jahr 2030 sollen es 65 Prozent erneuerbare Energien im deutschen Stromsektor sein. Rechtlich verbindlich hätte dies nun endlich das heute verabschiedete Kohleausstiegsgesetz regeln können, das mit vollem Namen eben gerade ‚Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze‘ heißt. Die Worte ,Sonne‘ und ‚Wind‘ kommen im Kohleausstiegsgesetz gar nicht bzw. beim Wind genau drei Mal vor: zwei Mal bei der Beschreibung der Südregion ‚Aisch Bad-Windsheim‘ und der ,Geschwindigkeit bei Marktreaktionen‘“, moniert Zenke. „Gerade letztere, nämlich Geschwindigkeit, aber könnten wir brauchen. Woran es hakt, ist völlig unklar! Das Klimaschutzprogramm 2030 hat das Streichen des PV-Deckels von 52 Gigawatt klar verankert. Im Gesetzesentwurf findet sich nichts. § 49 Abs. 5 des Erneuerbare Energien-Gesetzes ist zu streichen, soll der Hochlauf der Photovoltaik nicht behindert werden.

Eine ähnlich missliche Situation sehen wir für den Windstrom. Die Tausend-Meter-Abstandsregelung zwischen Windrädern und Siedlungen hat es – obwohl die Ausbauflächen deutlich senkend – immerhin in das Klimaschutzprogramm 2030 geschafft, auch dank einer Opt-out Regelung, die die Länder und Kommunen für sich ziehen können. Eine Umsetzung dessen fehlt dennoch. Auch die bereits im Klimaschutzprogramm beschlossene finanzielle Beteiligung der Kommunen an Windenergieanlagen zur Erhöhung der Akzeptanz fehlt. Hier sind entsprechende Regelungen zu schaffen“, so Zenke.

„Eine weitere im Klimaschutzprogramm vorgesehene Maßnahme zur Steigerung der erneuerbaren Energien war die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Mieterstrommodelle. Hierdurch soll der Zubau von Solaranlagen in den Städten verbessert werden. Einen Regierungsentwurf gibt es bis heute nicht; aber immerhin einen Entwurf der SPD-Fraktion, der in das laufende Gesetzgebungsverfahren ohne Weiteres integriert werden könnte.“

Anreiz zum Umbau auf emissionsärmere Brennstoffe

Während die erneuerbaren Energien im Gesetzesentwurf schlicht ignoriert werden, wird das Potential der Steinkohlekraftanlagen verkannt. Zenke hierzu: „Ich will hier keine Differenzierungsdebatte à la ,modernes Steinkohlekraftwerk ist besser als altes Braunkohlekraftwerk‘ führen. Oder über Entschädigungshöhen diskutieren. Dies sind Themen, die im Zweifel ohnehin von den Gerichten entschieden werden. Was aber auffällt und klima- wie energiepolitisch höchst bedauerlich ist: Es werden keine ausreichenden Anreize gesetzt, Steinkohlekraftwerke aus dem Markt zu nehmen oder sie auf Gas-KWK zu modernisieren. Teilweise dürfen die Steinkohlekraftwerke nicht einmal aus dem Markt gehen, weil sie für die Netzstabilität gebraucht werden. Das ist ein absolut unbefriedigender Zustand. Für die Energiewende, das Klima und die Menschen in den Unternehmen.“

Michael Wübbels, Leiter des Fachforums Kommunales des Wirtschaftsforums der SPD e.V. und Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen e.V., kommentiert den Kabinettsbeschluss: „Das Thema Wärme und Zukunftsfähigkeit der Wärmeversorgung hat bei der Erarbeitung des Gesetzes offenbar nur eine nebensächliche Rolle gespielt. Der Kabinettsbeschluss stellt vor allem diejenigen Stadtwerke, die heute ihre Kommunen mit Steinkohle beheizen, vor enorme Herausforderungen. Denn durch den absehbaren Eingriff in ihr Eigentum fehlen die Mittel und vor allem die Zeit für klimafreundlicher Ersatzmaßnahmen. Indem das Gesetz außerdem keine nennenswerte Verbesserung der KWK-Förderung vorsieht, bleibt vielen Unternehmen dieser Weg zur Transformation der Wärmeversorgung ebenfalls versperrt. Das Resultat: Viele Stadtwerke müssten kurzfristig auf inneffiziente und emissionsintensive Ersatzmaßnahmen zurückgreifen. Hier muss im parlamentarischen Verfahren dringend nachgesteuert werden.“