Harald Christ, Mitglied des Präsidiums des Wirtschaftsforums der SPD e.V., erklärt zum Koalitionsvertrag und zur Zukunft des Finanzplatzes Deutschland:

„Deutschland muss der neue Banker Europas werden: Ein eigenständiger Finanzmarkt ist im nationalen Interesse für Deutschland, auch als Katalysator für unsere Wirtschaft. Ohne einen starken Finanzmarkt droht unser Land den Anschluss und damit auch die Mitsprache bei globaler Finanzmarktregulierung zu verlieren. Der Koalitionsvertrag lässt allerdings ein klares Bekenntnis für einen starken, stabilen und wettbewerbsfähigen Finanzstandort Deutschland schmerzlich vermissen.

Das ist nicht zuletzt aufgrund des Brexits, der Rivalität zwischen Paris und Frankfurt um die Nachfolge Londons als neuer Finanzplatz Europas und der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA und Asien leidenschaftslos. Während der französische Präsident Macron den Finanzplatz Paris als Chefsache vorantreibt, überlässt die Bundesregierung die Stärkung und Attraktivitätssteigerung Frankfurts dem Bundesland Hessen und der Stadt Frankfurt. Auch das führte dazu, dass Paris den Zuschlag für die EBA erhielt.

Zudem ist die Verlagerung des Euroclearings in die EU-27 und nach Frankfurt notwendig, um zukünftig in der EU-27 Finanzstabilität zu sichern. Andernfalls würde nach dem Brexit mit dem London Clearing House, bei dem derzeit 96 Prozent der Euro-dominierten Zinsderivate gecleart werden, ein für den Euro höchst systemrelevantes Clearinghaus außerhalb der EU-27 bestehen. Damit würde die EU-27 besonders in Krisenzeiten über keine effektiven aufsichtsrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten mehr verfügen.

Deutschland hat als größte Volkswirtschaft Europas mit seiner vorhandenen Kapitalmarktstruktur und als Zentrum für europäische systematische Finanzstabilität unter anderem durch Institutionen wie die EZB, den SSM und der EIROPA natürliche Voraussetzungen, das neue London in der EU-27 zu werden. Mit dem Clearinghaus der Deutschen Börse sind bereits heute als einzigem Clearinghaus in der EU-27 alle rechtlichen und technischen Voraussetzungen für ein liquides und effizientes Clearing von Euro-dominierten Zinsderivaten gegeben.

Heute werden die Weichen gestellt für die Zukunft des Finanzplatzes Deutschland. Die neue Bundesregierung muss energischer für Frankfurt einstehen und mehr tun, als nur dem Präsidenten Macron dabei zuzusehen, wie er Fakten für Paris schafft.“