In einer ersten Bewertung zum vorliegenden Text eines Koalitionsvertrages erklärt das Präsidium des Wirtschaftsforums der SPD:
Die Bürger*innen und die Wirtschaft erwarten, dass Deutschland ordentlich regiert wird. Endlich kann nun bald eine stabile Bundesregierung gebildet werden. Der Vertragsentwurf ist eine Kraftanstrengung Richtung Zukunft. Die künftigen Koalitionspartner haben gemeinsam Verantwortung für den Standort Deutschland, für Gesellschaft und Wirtschaft bewiesen.
Michael Frenzel, Präsident des SPD-Wirtschaftsforums kommentierte: „Auch wenn einige Forderungen unserer Verbandsmitglieder von Union und SPD nicht umgesetzt worden sind – tatsächlich ist der vorgelegte Vertrag besser geworden als die meisten Beobachter für möglich gehalten haben. Er ist in der Substanz auch reformorientierter und zukunftsweisender als der letzte Koalitionsvertrag.“
Das Wirtschaftsforum der SPD hat sich stark für ganz konkrete Entlastungen der mittelständischen Wirtschaft eingesetzt, z.B. für ein harmonisiertes Erhebungsverfahren der Einfuhrumsatzsteuer oder eine Reform der derzeitigen Regelungen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von touristischen Leistungen. Während die Einfuhrumsatzsteuer laut Vertrag nun optimiert werden soll, findet sich der letztgenannte Punkt leider noch nicht konkret in der Agenda wieder. „Wir bleiben da am Ball“, bekräftigte Michael Frenzel.
Insgesamt gebe es aber eine positive Bilanz:
- Die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland und unseres Wohlstands sind mit dem Koalitionsvertrag gesichert. Inklusives Wachstum schafft die Voraussetzungen dafür, dass alle an den Erfolgen beteiligt werden, diesen Ansatz hat die SPD verankert. Insbesondere das große auch auf die Digitalisierung ausgerichtete Bildungspaket ist eine wichtige Zukunftsinvestition.
- Die Digitalisierung wird explizit als Chance gesehen. Der Vertrag sorgt auch für die Modernisierung unseres Landes. Dabei stehen Investitionen in Zukunftstechnologien und Infrastruktur (u.a. flächendeckender Ausbau von Gigabit-Netzen bis zum Jahr 2025) und die Förderung von Innovationen im Mittelpunkt. Das gilt nicht nur für die Industrie, sondern auch für den Mittelstand, das Handwerk und die Gründerszene.
- Der Koalitionsvertrag steht im Zeichen einer an Nachhaltigkeit orientierten Wirtschaftspolitik. Er bekräftigt Deutschlands Verantwortung für eine ambitionierte Klimapolitik, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland zu vernachlässigen. Die Stärkung von Innovationen sowie die Investitionen in Effizienz und Infrastruktur sichern die Zukunft der Branche.
- Modernisierung heißt auch Abbau von Bürokratie. Deshalb werden im Rahmen eines Bürokratieabbaugesetzes III u.a. Statistikpflichten weiter verringert. Wir befürworten das klare Bekenntnis, dass EU-Vorgaben zukünftig 1:1 umgesetzt und zurückliegende Regulierungsmaßnahmen auf den Prüfstand gestellt werden.
- Aktive Industriepolitik ist ein Schlüsselinstrument. Sie unterstützt die Transformation in eine digitale, nachhaltige und wachstumsorientierte Wirtschaft und Gesellschaft. Sie steht für moderne Produkte und Verfahren, für digitale Schlüsseltechnologien, ob es nun um Industrie 4.0 geht oder Anwendungsformen bei digitaler Mobilität.
- Mittelstand und Handwerk spielen entsprechend ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung für die SPD eine große Rolle. Sie werden massiv bei der Digitalisierung unterstützt, u.a. durch Hub-Initiative, ein Mittelstands-Investitionsprogramm, Kompetenzzentren 4.0 und steuerliche Forschungsförderung für kleine und mittelgroße Unternehmen.
- Fachkräfte zu sichern ist jetzt Bestandteil des Vertrages und Teil der Modernisierung. Wir bekommen ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das mit dazu beitragen kann, den Fachkräftemangel zu bekämpfen und die bisherigen Anstrengungen (Frauen, ältere Menschen, Weiterbildung- und Qualifizierung) zu ergänzen.
- Um gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen, wird ein gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Gebiete eingeführt, gerade in den Bereichen Digitalisierung, Breitbandversorgung und Fachkräftesicherung ist das sinnvoll und notwendig.
- Die Gründerszene ist für die Zukunft unserer Wirtschaft sehr bedeutsam. Daher begrüßen wir die Ideen zur Verbesserung der Bedingungen für Wagniskapital. Start-Ups sollen von bürokratischen Pflichten weiter entlastet sowie Gründer*innen und Unternehmer*innen durch die Auflage eines Digitalfonds und eines Tech Growth Funds stärker unterstützt werden. Wir bedauern jedoch, dass diese weitgehend wage bleiben und nur in Ausnahmefällen mit konkreten Summen aus dem Haushalt bedacht werden, so z.B. bei der Auflage „eines großen nationalen Digitalfonds“. Wir begrüßen ausdrücklich eine steuerliche Forschungsförderung.
- Eine funktionierende Sozialpartnerschaft ist die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands. Ein ökonomisch starkes, innovatives Europa ist für Deutschland politisch und ökonomisch die zweite Grundbedingung. Wir begrüßen die generell europafreundliche Ausrichtung des Koalitionsvertrages und den Aufruf nach einem Mehr an europäischer Integration. Der EU-Binnenmarkt muss weiterentwickelt und mit dem digitalen Binnenmarkt in Europa verbunden und gestärkt werden. Die im Koalitionsvertrag festgelegte, stärker koordinierte Währungspolitik bewerten wir positiv: Nur eine nachhaltige Stärkung der Eurozone kann den Euro krisenfest machen und Freihandel und faire Austauschbeziehungen garantieren. Die Stärkung des Außenhandels ist eines unserer Kernanliegen, denn Deutschland ist als Exportnation auf offenen, fairen Handel angewiesen. Neben weiteren bilateralen und regionalen Abkommen hat sich das Wirtschaftsforum intensiv für den Abschluss des CETA Abkommens eigesetzt. Wir freuen uns, dass diese Perspektive bestehen bleibt.
- Mittelfristig wird in der Großen Koalition auch über eine europäisch verbundene Unternehmenssteuerreform zu sprechen sein, die Steuerdumping verhindert und die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Mittelstand sichert.