09.02.2024

Verteidigungsindustrie zukunftsfähig machen: IG Metall, SPD-Wirtschaftsforum und BDSV fordern eigene Industriepolitik 

Deutschland und Europa brauchen ein industriepolitisches Konzept zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Das fordern IG Metall, Wirtschaftsforum der SPD und Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) in einem gemeinsamen Positionspapier. Die eigenen Verteidigungsfähigkeiten in den Dimensionen Land, Luft und See müssen weiterentwickelt, gegebenenfalls neue aufgebaut werden, um die Leistungsfähigkeit der Industrie zu sichern und ihre Möglichkeiten zur Entwicklung und Produktion zu steigern, postuliert das heute veröffentlichte Papier.

Mit der „Zeitenwende“ rücke nun neben der Finanzierung der Bundeswehr durch das Sondervermögen ein weiterer Aspekt in den Vordergrund: Gefordert wird eine Industriepolitik, die die Produktionskapazitäten und technologischen Fähigkeiten des Standorts Deutschland und der hier tätigen Rüstungsunternehmen in den Blick nimmt und fördert. Hierfür bedürfe es einer klaren Definition und politischen Zielsetzung von Schlüsseltechnologien in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sowie einer industriepolitischen Agenda, um Deutschland, seine Industrie und die dortigen Arbeitsplätze sowie die Fähigkeiten und Souveränität der Bundeswehr zu stärken. Das sei auch für die hier tätigen Unternehmen und deren Beschäftigte von großer Bedeutung. Die IG Metall sowie das Wirtschaftsforum der SPD e.V. haben sich hierfür mit Unternehmen aus den Teilbranchen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie rückgekoppelt und Vorschläge erarbeitet. Koordiniert wurden die Beiträge der Unternehmen durch den Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV).

Bisher, so mahnt das Papier, existiere ein solch umfassendes industriepolitisches Konzept für die Verteidigungsindustrie nicht. Gefordert wird deshalb eine Struktur- und Prozessreform, damit jeder investierte Euro auch eine entsprechende Leistung erbringt.

Mit Blick auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung sagte Matthias Machnig, Vizepräsident des Wirtschaftsforums der SPD: „Deutschland und Europa müssen jetzt den nächsten Schritt in der verteidigungspolitischen Koordinierung und besseren gemeinsamen Integration gehen. Das gilt umso dringender angesichts einer fragilen internationalen Ordnung und des andauernden Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine. Das gilt aber gerade auch mit Blick auf die politischen Unsicherheiten in Bezug auf die nächste US-Administration mit all den möglichen Folgen für das NATO-Bündnis, Deutschland und die Europäische Union. Als das zentrale Industrieland in Europa hat Deutschland eine besondere Rolle und Verantwortung, wenn es darum geht, die technologischen und industriellen Fähigkeiten zu stärken und weiter auszubauen. Dafür muss Deutschland – im Einklang mit den europäischen Partnern – eine strategische Industriepolitik auf den Weg bringen. Voraussetzung dafür ist, ein eigenes industriepolitisches Konzept zu entwickeln, das aufbauend auf der vorhandenen Struktur der SVI Schlüsseltechnologien, Innovationspotenziale und die Notwendigkeit von Souveränität und Resilienz definiert. Dazu müssen klare Verantwortlichkeiten in der Bundesregierung definiert und ein koordinierte Dialog- und Beratugsprozess mit der Industrie eingeführt  werden.“

Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, betonte: „2024 ist das Jahr der Entscheidung für die wehrtechnische Industrie in Deutschland. Zwar hebt die Politik ihre Bedeutung für die Sicherheit unseres Landes und Europas hervor. Aber anders als man denken könnte, führt das Sondervermögen Bundeswehr nicht automatisch zur Stärkung der heimischen Industrie. Sie droht vielmehr unter die Räder zu geraten, wenn mehr und mehr in Übersee gekauft wird und die Regierung keine Sorge trägt, dass Betriebe in Deutschland Wartung und Upgrades übernehmen. Wir brauchen endlich eine wehrtechnische Industriepolitik. Hier arbeiten hochmotivierte, hervorragend qualifizierte Beschäftigte auf technisch anspruchsvollen, meist tariflich abgesicherten Arbeitsplätzen. Sie fordern zurecht Berechenbarkeit und Planungssicherheit in Forschung und Entwicklung, in Beschaffung und Produktion, in Wartung und Modernisierung von Systemen.“

Für Dr. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des BDVSV, steht fest: „Deutschland braucht umgehend ein aktualisiertes Strategiepapier zur Stärkung der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, um einen klaren Kompass für die eigene Positionierung im Rahmen verstärkter europäischer Rüstungskooperation zu haben. Ferner müssen die Innovations- und Investitionskraft der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gestärkt sowie die Möglichkeiten für Forschung und Entwicklung strategisch ausgebaut werden. Hierfür bedarf es einer Beschaffungspolitik, die Berechenbarkeit und Planungssicherheit schafft, damit die notwendigen Investitionen und der notwendige Know-how-Aufbau sichergestellt werden.“

Das Papier ist dem Bundeskanzleramt, dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie den zuständigen Bundestagsausschüssen zugestellt worden. Es ist hier abrufbar.