Berlin, 4. Oktober 2018– Das Wirtschaftsforum der SPD fordert die Bundesregierung auf, sich für einen schnellen Umzug des Euro-Clearings von London nach Frankfurt einzusetzen. „Sonntagsreden bringen uns nicht weiter“, sagt Präsidiumsmitglied Harald Christ. „Von der Bundesregierung kamen bisher nur Willensbekundungen. Jetzt ist es an der Zeit, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und das Clearing-Geschäft für den Finanzplatz Frankfurt zu sichern.“ Schließlich gehe es um die europäische Finanzmarktstabilität – und Tausende Arbeitsplätze in der Rhein-Main-Region.
Hintergrund sind Medienberichte, wonach das britische Abwicklungshaus LCH noch im Dezember Derivatekontrakte kündigen könnte. Nach Angaben der Bank of England geht es dabei um umgerechnet rund 43 Billionen Euro. „Angesichts dieser gewaltigen Summe gefährdet ein ungeordneter Ausstieg Großbritanniens Finanzmärkte in ganz Europa“, so Christ. „Doch von der Kanzlerin oder dem Bundeswirtschaftsminister hören wir dazu nicht viel.“ Das Euro-Clearing findet bislang in London statt. Rund 96% der Zinsderivate werden dort gecleart. Nach dem Brexit würde ein systemrelevantes Clearinghaus außerhalb der EU-27 bestehen – mit Haftungsrisiko aber ohne aufsichtsrechtliche Eingriffsmöglichkeiten für Deutschland. Schlimmstenfalls müssten deutsche Steuergelder eingesetzt werden, um das Clearinghaus in London zu stabilisieren.
Christ: Frankfurt muss der neue Banker Europas werden
Die Bundesregierung sollte sich konsequenter als bisher für Frankfurt als Zentrum der Finanzmarktstabilität stark machen. „Wir haben schon das Rennen um die EBA gegen Paris verloren“, erklärt Christ. „Das Gleiche darf jetzt nicht beim Euro-Clearing passieren.“ Auf Initiative der Deutschen Börse sei in Frankfurt bereits ein alternativer – und in der EU-27 einzigartiger – Standort entstanden, der über alle rechtlichen und technischen Voraussetzungen für effizientes Clearing von Zinsderivaten verfüge. Mit Institutionen wie der Europäischen Zentralbank, der zentralen europäischen Bankenaufsicht (SSM) oder der Versicherungsaufsicht (EIOPA) stehe die Main-Metropole zudem für stabile Finanzgeschäfte. Eine Entscheidung gegen Frankfurt beim Euro-Clearing sei deshalb das falsche Signal und eine vertane Chance für Europa.
„Nicht nur mit Blick auf Italien brauchen wir jetzt dringend stabile Finanzmärkte“, sagt der Schatzmeister des Wirtschaftsforums der SPD. „Denn beim Haushaltsentwurf für die viertgrößte Volkswirtschaft Europas sehe ich schwarze Wolken am Schuldenhorizont.“ Die italienische Regierungskoalition rechne mit einer Neuverschuldung von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung. Dabei sei Italiens Schuldenstand schon heute der höchste in der Europäischen Union. „Die Euro-Krise ist noch nicht komplett ausgestanden“, sagt Christ. „Zusätzliche Unsicherheit können wir nicht gebrauchen.“