• Klara Geywitz:
    „Wir müssen billiger bauen“

19.10.2023

Von einer echten Krise im Wohnungsbau haben Vertreterinnen und Vertreter von Baubranche, Genossenschaften, Architektur, Förderbanken und Politik bei einer Wohnungsbaukonferenz des SPD-Wirtschaftsforums am Mittwoch in Berlin gesprochen. In ihrer Keynote nannte Bundesbauministerin Klara Geywitz die Situation für den Wohnungsbau aktuell extrem schwierig. Sie stellte die Maßnahmen der Politik zur Verbesserung der Lage dar, identifizierte aber auch auf Seiten der Branche noch Potenzial etwa für mehr Produktivität. Drei Panels widmeten sich anschließend der Finanzierung, alternativen Konzepten der Wohnraumversorgung sowie seriellem und modularem Bauen. Ein Krisenplan für die Branche soll entwickelt werden.

Jährlich 400.000 neue Wohnungen, davon 100.000 öffentlich gefördert: Dieses im Koalitionsvertrag ausgegebene Ziel wurde bisher nicht erreicht. Schon jetzt ist absehbar, dass auch in den kommenden zwei Jahren das Ziel nicht umgesetzt wird. Nicht nur das, die Neubauzahlen sind sogar rückläufig. Ein erheblicher Rückgang ist auch bei Genehmigungen zu verzeichnen. Mit ihrem jüngsten 14-Punkte-Maßnahmenplan sowie weiteren Initiativen versucht die Politik, Wohnungsbau anzureizen, doch verschlechterte Finanzierungsbedingungen, zum Teil erhebliche Kostensteigerungen, Fachkräftemangel und nicht zuletzt als beschwerlich lange wahrgenommene Genehmigungsverfahren setzen der Branche zu und den Wohnungsmarkt weiter unter Druck.

Der Zinssprung habe viele Projekte unrentabel gemacht, erläuterte Klara Geywitz. Dies führe zu Baupreisen, die sich auf dem Markt nicht mehr vermieten ließen. Gerade in den Metropolen könne der großen Nachfrage nicht mehr entsprochen werden. Hinzu komme, dass die Anforderungen auf Länder- und Bundesebene zu viel würden. „Wir müssen als Staat dabei helfen, die schwierige Situation für die Branche zu überwinden“, sagte Geywitz, prognostizierte eine Erholung aber erst ab 2025. Dann sei wieder mit positiven Wachstumsraten zu rechnen. Dafür seien allerdings auch kostenreduzierende Maßnahmen erforderlich. Sie ging auf die große Bedeutung des sozialen Wohnungsbaus für weite Teile der Bevölkerung ein. Hier wie auch in den Bereichen „Junges Wohnen“, der Wohngemeinnützigkeit und der Förderung von Wohneigentum, nicht nur im Neubau, sondern auch im Bestand mit dem Programm „Jung kauft Alt“, würden erhebliche Mittel bereitgestellt. Außerdem nannte sie den Abschied von EH 40 und die weitere Förderung von EH 55 ebenso wie den Gebäudetyp E als entlastende Maßnahmen für die Branche. Alles, was die Situation verbessere, würde umgesetzt. Aber Geywitz appellierte auch: „Wir müssen wieder einfacher und billiger bauen. Wir müssen uns auf den schwierigen Reformweg machen.“

Verlässliche Förderung und flexiblere Finanzierung gefordert

Über die Finanzierung und Finanzierungsanreize für bezahlbaren Wohnungsbau tauschten sich anschließend Arnd Fittkau, CRO, Vonovia SE, Reiner Nittka, CEO, GBI Holding AG, und Tillman Stenger, Vorstandsvorsitzender der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB), mit der Ministerin aus. Insbesondere die Ankündigung der Vonovia, den Bau neuer Wohnungen vorerst auszusetzen, hatte für erhebliche Unruhe in der Branche und der Politik gesorgt. Arnd Fittkau machte den dramatischen Preisanstieg dafür verantwortlich, dass Projekte gänzlich unwirtschaftlich geworden seien. Der schnellste Hebel, den Wohnungsbau wieder in Gang zu bringen, sei eine Beruhigung des Zinsniveaus. „Die Solidität der Förderkulisse ist extrem wichtig“, sagte Fittkau und wurde darin auch von Rainer Nittka unterstützt. Der CEO von GBI forderte zudem eine bundeseinheitliche Förderung. Die jüngsten Maßnahmen der Bundesregierung nahm Tillman Stenger, ILB, als deutliche Veränderungen gegenüber den Anstrengungen früherer Regierungen wahr. Er beobachte zudem, dass mittlerweile auch mehr private Investoren auf sozialen Wohnungsbau umschwenkten. Aber gerade dieses Segment benötige besonders eine kontinuierliche Förderung. Aber auch für mehr Flexibilität, eine Streckung der Finanzierungszeiträume und eine veränderte Förderung sprachen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus.

Heiko Kretschmer im Gespräch mit Arnd Fittkau, Vonovia, Bundesbauministerin Klara Geywitz, Reiner Nittka, GBI Holding AG, und Tillman Stenger, ILB.

Heiko Kretschmer im Gespräch mit Arnd Fittkau, Vonovia, Bundesbauministerin Klara Geywitz, Reiner Nittka, GBI Holding AG, und Tillman Stenger, ILB.

Wie sich alternative Konzepte der Wohnraumversorgung noch stärker forcieren lassen, diskutierten Annett Jura, Abteilungsleiterin im BMWSB, Hauke Funk, Geschäftsführer, Hanseatische Siedlungs-Gesellschaft mbH, Klaus Mindrup, aktiver Wohnungsgenossenschaftler, und Dr. Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin, Deutscher Mieterbund e.V. Dass Wohnen für immer mehr Menschen zum Armutsrisiko wird, machte Weber-Moritz deutlich. Nicht nur, dass der Neubau so deutlich hinter den Zielen zurückbleibe, jedes Jahr würden zudem 40.000 Wohnungen aus der Bindung fallen, was das Segment weiter unter Druck setze. Auf Beispiele aus Hamburg ging Hauke Funk ein. Die Förderbank der Hansestadt engagiere sich sehr, auch um die soziale Bindung dauerhaft zu sichern. Klaus Mindrup ging auf die Rolle ein, die Genossenschaften zur Entspannung der Lage beitragen können.

Er wie andere Gesprächsteilnehmer verwiesen auf die beispielgebende Sozialwohnungspolitik der Stadt Wien. Unter anderem auf die erhebliche Mittelaufstockung für „Junges Wohnen“, also die Schaffung von Wohnraum für Auszubildende und Studierende, ging Jura ein.

Lothar Rose, EY, im Gespräch mit Annett Jura, BMWBS, Hauke Funk, HSG mbH, Dr. Melanie Weber-Moritz, Deutscher Mieterbund e.V., und Klaus Mindrup

Lothar Rose, EY, im Gespräch mit Annett Jura, BMWBS, Hauke Funk, HSG mbH, Dr. Melanie Weber-Moritz, Deutscher Mieterbund e.V., und Klaus Mindrup

Dass es eines konsequenten Einschreitens gegen die überhöhten Baukosten im Bereich der Materialkosten und einer aktiven Bodenpolitik bedarf, war schließlich Thema des dritten Panels mit Marcus Becker, Vizepräsident, BAUINDUSTRIE Ost, Andrea Gebhard, Präsidentin, Bundesarchitektenkammer, Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer, Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, Prof. Dr. Mathias Schäfer, Präsident, Bundesverband Deutscher Fertigbau e.V. und Timo Schisanowski, Mitglied des Deutschen Bundestags. Insbesondere serielles und modulares Bauen spielt eine große Rolle, um Effizienz und Produktivität im Bau zu steigern und Kosten zu senken. Diese Art des Bauens habe mit dem Wohnungsbau der 1960er und 70er Jahre allerdings nichts mehr gemeinsam, machte Andrea Gebhard deutlich. Entscheidend sei, wie dieses Bauen in Bestehendes eingefügt werde.

Heiko Kretschmer im Gespräch mit Andrea Gebhard, Bundesarchitektenkammer, Timo Schisanowski, MdB, Markus Becker, Bauindustrie Ost, Felix Pakleppa, Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, und Prof. Dr. Mathias Schäfer, Bundesverband Deutscher Fertigbau e.V.

Heiko Kretschmer im Gespräch mit Andrea Gebhard, Bundesarchitektenkammer, Timo Schisanowski, MdB, Markus Becker, Bauindustrie Ost, Felix Pakleppa, Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, und Prof. Dr. Mathias Schäfer, Bundesverband Deutscher Fertigbau e.V.

Effizienz steigern mit seriellem Bauen
Skepsis herrschte bei der Frage, ob man bei der bundesweiten Musterbauordnung vorankommen werde. Dabei machten alle Gesprächspartnerinnen und -partner deutlich, dass gerade serielle Verfahrensweisen und Standards bundesweit Geltung haben müssten. Auch bei der Frage der Verantwortung auf Länder- und Bundesebene gab es erheblichen Diskussionsbedarf. Ein „Wumms“ oder „Ruck“ der Politik wurde gefordert. Gleichzeitig signalisierte die Branche ihre große Bereitschaft zu gestalten und umzusetzen. Alle Beteiligten verständigten sich darauf, dass jetzt ein Krisenplan für die Branche in den Jahren 2024/25 entwickelt werden muss.

Heiko Kretschmer und Dr. Annedore Strey, Managing Partner, EY, die freundlicherweise die Räumlichkeiten zur Verfügung stellten

Heiko Kretschmer und Dr. Annedore Strey, Managing Partner, EY, die freundlicherweise die Räumlichkeiten zur Verfügung stellten.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Lothar Rose, Partner, Ernst & Young Real Estate GmbH, und Heiko Kretschmer im Audimax von EY, Berlin. Der Schatzmeister des Verbands kündigte bereits ein weiteres Gesprächsformat zum Jahresende an. Arbeitstitel: „Umgang mit der Krise“. Das Positionspapier des Verbands zur verstärkten Nutzung privaten Kapitals zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus wird um die Anregungen der Konferenz ergänzt und der Politik als Handreichung zur Verfügung gestellt.

Klara Geywitz im Gespräch mit Arnd Fittkau, Vonovia, und Annett Jura, BMWSB (im Hintergrund: Dr. Melanie Weber-Moritz, Deutscher Mieterbund e.V.)

Klara Geywitz im Gespräch mit Arnd Fittkau, Vonovia, und Annett Jura, BMWSB (im Hintergrund: Dr. Melanie Weber-Moritz, Deutscher Mieterbund e.V.)