Harald Christ, Vizepräsident des Wirtschaftsforums der SPD e.V., sprach am Rande des Regionalen Unternehmerdialogs mit dem Mannheimer Morgen unter anderem über das Klimaschutzpaket der Bundesregierung, die Wahl zum Parteivorstand und den Linksruck in der SPD. Hier finden Sie Auszüge aus dem Interview.
Das vollständige Interview erschien am 6. November 2019. Der Mannheimer Morgen berichtete auch über den Regionalen Unternehmerdialog zum Thema „Chefsache Klimaschutz. Eine moderne, nachhaltige Wirtschaftspolitik für die Metropolregion Rhein-Neckar“.
Herr Christ, Sie geben Ende des Jahres Ihr Amt als Mittelstandsbeauftragter der SPD auf. Warum gehen Sie diesen Schritt?
Harald Christ: Andrea Nahles hatte mich als Partei- und Fraktionsvorsitzende gebeten, das Amt zu übernehmen. Ich habe mit ihr sehr gut und eng zusammengearbeitet. Jetzt gibt es eine Veränderung an der Parteispitze. Die neue Führung muss einen neuen Kandidaten definieren. Das finde ich völlig normal.
Aber Sie haben auch andere Gründe für den Rückzug.
Christ: Ja, ich habe auch inhaltliche Gründe. Ich kritisiere den Prozess der Kandidatenfindung und die drohende Verschiebung der SPD zu weit nach links.
Noch gibt es keine neue SPD-Spitze. Ist es da nicht zu früh, einen etwaigen Linkskurs zu kritisieren?
Christ: Ich höre genau hin, was in der SPD zu den Themen Mietpreisbremse, Enteignungen, Vermögenssteuer diskutiert wird. Vieles davon gefällt mir nicht. Ich will mit meiner Ankündigung abzutreten ein Signal an die Basis senden: Wenn es um die neue Parteispitze geht, wählt bitte, bitte vernünftig! Verfallt nicht der linksgerichteten Ideologie! Die SPD ist eine linke Volkspartei, und sie muss aber auch Platz haben für viele Meinungen an den Rändern.
Hat die Basis Ihr Signal verstanden?
Christ: Ich glaube, dass die Basis vernünftiger ist als viele Parteitagsdelegierte. Ich glaube auch, dass die Parteibasis mehrheitlich für die Fortsetzung der großen Koalition ist und keine ideologische Linksorientierung will. Die schweigende Mehrheit der Partei denkt so, davon bin ich überzeugt. Viele haben ja im Urwahlprozess nicht mitgemacht, die Beteiligung lag nur bei 53 Prozent. Es gilt nun, breit zu mobilisieren.
Haben Sie ein Stück weit die SPD aufgegeben?
Christ: Mir geht es darum, Haltung zu zeigen. Ich will glaubwürdig bleiben gegenüber meinen Zielgruppen. Wenn das dazu führt, ein Amt aufzugeben, dann ist dieser Schritt notwenig. Ich mache Politik nicht wegen der Ämter, sondern wegen der Inhalte.
Fühlen Sie sich noch wohl in der Partei?
Christ: Ich bin zu 51 Prozent mit Überzeugung Sozialdemokrat. Diese 51 Prozent reichen aus. Die SPD ist eine große Volkspartei, die es ihren Mitgliedern und Funktionären nie leicht gemacht hat. Das gehört zur SPD leider dazu. Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft der Partei. Sie befasst sich zu sehr mit Personaldebatten und zu wenig mit Inhalten, mit denen wieder Wahlen gewonnen werden.
Ihre Partei hätte beim Klimaschutzpaket Flagge zeigen können. Stattdessen gibt es sehr viele, kleine Einzelmaßnahmen. Hat die SPD eine Gestaltungschance verpasst?
Christ: Ich bin mit dem Klima-Kompromiss nur bedingt zufrieden. Die Beschlüsse gehen nicht weit genug. Es war aber das Maximale, was in einer großen Koalition erreichbar ist. Das Klimapaket taugt auch nicht als Sollbruchstelle, um die Regierung scheitern zu lassen.
Was hätten Union und SPD denn ins Paket noch aufnehmen müssen?
Christ: Mir fehlen die großen Investitionen, etwa in die Zukunftstechnologien wie Wasserstoff und Speichertechnik oder noch mehr klimafreundliche Infrastruktur. Eine Politik des Forderns und Förderns, die die Verbraucher und die Unternehmer erreicht, hätte verstärkt das Ziel sein müssen.
Das heißt, die Koalition hätte mehr Geld in die Hand nehmen müssen.
Christ: Wir haben die finanziellen Möglichkeiten und dazu noch historisch niedrige Zinsen. Wir könnten massiv in die Zukunftstechnologien investieren. Deutschland muss als Innovationsstandort wieder die Nase vorn haben, aber dafür müssen wir jetzt etwas tun. Dabei dürfen wir aber nicht die Interessen der Verbraucher und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, auch gerade die Zukunftsängste der jungen Generation aus den Augen verlieren.
Wie wird das Klimapaket der Bundesregierung die Menschen beeinflussen?
Christ: Die geplanten Maßnahmen werden das Verhalten der Menschen nicht nennenswert verändern. Wichtiger ist, dass sich das Bewusstsein der Menschen verändert. Und da findet bereits eine Entwicklung statt. Ich sehe es ja an mir selbst: Ich versuche, Plastik zu vermeiden, und vermeide Einweg-Becher. Und die Unternehmen haben die Signale verstanden, dass sie nachhaltiger wirtschaften müssen. Das Klimapaket ist dabei nur ein Anfang. Aber um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens bis 2030 zu schaffen, werden wir zu ganz anderen Maßnahmen greifen müssen.
Das Interview führte Karsten Kammholz, Chefredakteur des Mannheimer Morgens.