„Industrie folgt Energie“ – Diese Leitlinie ist für Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil elementar, wenn es um die Anstrengungen seiner Regierung im Bereich der Energiewende geht. „Niedersachsen hat die historische Chance neben dem Agrarland Nummer 1 und dem Automobilland Nummer 1 auch Energieland Nummer 1 zu werden.“ Der Industriestandort Deutschland brauche ein Update und dies muss politische Schlüsselaufgabe werden, in der EU, auf Bund- und Landesebene, betonte Stephan Weil in seinem Eingangsimpuls im Rahmen unseres Zukunftsdialogs mit dem Titel „Standortfaktor Infrastruktur – wie werden wir wieder spitze?“ in Hannover. Energiepolitik als Daseinsvorsorge sei dahingehend ein Kernelement.
Welche Weichen richtiggestellt werden müssen, welche Lösungen bereits gefunden und welche Herausforderungen noch bevorstehen werden, diskutierten Marit Müller, Mitglied des Vorstands der Avacon, Christiane Fraiss, Geschäftsführerin der enercity Netz, Michael Schwarz, Geschäftsführer des Flughafens Braunschweig-Wolfsburg und Thomas Hüser, Geschäftsführer der Glencore Nordenham. Die gemeinsame Veranstaltung des Wirtschaftsforums der SPD und des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung fand im Deutschen Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover statt.
Dass in Fragen der Energiewende keine Zeit mehr zu verlieren ist, bekräftigte Christiane Fraiss. Der Umbau hin zu einer dezentralen Energieversorgung bei der Angebot und Nachfrage nahaneinander ausgerichtet sind, drücke die Kosten sowohl für Industrie als auch Privatverbraucher und erhöhe die Akzeptanz in der Bevölkerung, so ihre Einschätzung, „wenn man Vorreiter sein will, muss man auch vorangehen.“ Die Rolle der Netze hob Marit Müller hervor. Damit Dekarbonisierung nicht zur Deindustrialisierung führe, müsse dort Industrie angesiedelt werden, wo sie entsteht – und folgt damit dem Credo des Ministerpräsidenten. Dass damit das Thema der Netzentgelte diskutiert werden muss, steht für sie außer Frage: „Netzdienliches Verhalten muss belohnt werden.“ Michael Schwarz erläuterte die verschiedenen Aspekte der Transformation und welche Chancen sie für den Flughafen Braunschweig-Wolfsburg als Forschungsflughafen bedeuten. Mit dem Remote Tower Center, der in wenigen Wochen eingeweiht wird, schafft der Flughafen maximale Kosteneffizienz. Bei der Freiflächenprüfung für PV-Anlagen und das damit verbundene Vorhaben die nachhaltige Entwicklung des Flughafens fortzuführen, habe man Behörden und Verwaltung frühzeitig an Bord geholt und stets als Team verstanden. Transformation gehe nur zusammen, steht für Michael Schwarz außer Frage. „Auch deswegen werden wir als Flughafen mit Biss und Elan wahrgenommen.“ Für Glencore Nordenham ist der Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur von zentraler Bedeutung. Der Prozess der Transformation dorthin ist von enormer Anstrengung geprägt, so Thomas Hüser, „weil Transformation eine permanente Veränderung des Arbeitsalltags und der Arbeitsweise bedeutet und viel Kraft und Willen erfordert – von allen Beteiligten.“ Dass die Stimmung im Land derzeit kippt und der Wille nicht mehr ungebrochen scheint, ist für Glencore als internationales Unternehmen so besorgniserregend wie verwunderlich.
In einem gemeinsamen Ausblick fasste unsere Vizepräsidentin Prof. Dr. Susanne Knorre die Forderung der Wirtschaft nach mehr Pragmatismus und weniger Dogmatismus einvernehmlich zusammen. Ministerpräsident Stephan Weil appellierte an die Gemeinschaftlichkeit der Kraftanstrengung, die der gewaltige Transformationsprozess erfordere und erst ermögliche, und an die Chancen, die daraus für alle entstehen können.
Den anregenden Austausch moderierten Verbandsvizepräsidentin Prof. Dr. Susanne Knorre und Gwendolin Jungblut, Sprecherin des Managerkreises Niedersachsen/Bremen der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Im Garten des Karikaturenmuseums konnten die Gespräche in lockerer Atmosphäre weitergeführt werden.
Wir danken allen Beteiligten und Teilnehmenden für den schönen Abend!