Auch 2017 besuchten wieder über 400 Mitglieder und Gäste die Jahreskonferenz des Wirtschaftsforums der SPD. Im Humboldt-Forum, direkt zwischen Berliner Dom und Stadtschloss gelegen, tauschten sich am 13. Juni 2017 hochkarätige Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft über aktuelle Fragen im Bundestagswahljahr 2017 aus. Zu den Rednern auf der Jahreskonferenz gehörten unter anderem der SPD-Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz, die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, Professor Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) sowie der Wirtschaftsweise Prof. Dr. Peter Bofinger.
Nachdem in der internen Mitgliederversammlung am Vormittag das geschäftsführende Präsidium mit großer Mehrheit im Amt bestätigt worden war, eröffnete der alte und neue Präsident des Wirtschaftsforums der SPD, Dr. Michael Frenzel, um 14 Uhr die öffentliche Jahreskonferenz. In seiner Rede betonte Frenzel die enorme Bedeutung eines fairen und freien Welthandels für den Standort Deutschland. Angesichts protektionistischer Tendenzen in den USA warb Frenzel dafür, verstärkt auf Partner im asiatischen Raum zuzugehen. Mit Blick auf den Wahlkampf der SPD, der sich dem Thema Gerechtigkeit verschrieben hat, betonte Frenzel das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit. Im Mittelpunkt der Politik sollte nicht Umverteilung, sondern gerechte Entlohnung und faire Aufstiegs- und Bildungschancen stehen. Von der EU wünschte sich Frenzel eine mutigere Politik, statt überbordender Agrarsubventionen und Strukturförderung sei es Zeit für einen EU-weiten Investitionsfonds. Um die skizzierten Ziele zu erreichen, sieht Frenzel nach der Bundestagswahl im Herbst die Grünen und die FDP als passende Partner.
Auch der Präsident des BDI, Prof. Dieter Kempf, kritisierte den zunehmenden Protektionismus. Die Politik müsse sich verstärkt für Freihandelsabkommen einsetzen, schließlich hängt jeder zweite Arbeitsplatz in der deutschen Industrie vom Export ab. Um sich im globalen Steuerwettbewerb gut aufzustellen, bedarf es in Deutschland steuerrechtlicher Anpassungen, so Kempf. Konkret habe er hierbei die Gewerbesteuer und die Doppelbelastung bei Auslandsinvestitionen im Blick. In Deutschland sieht Kempf Investitionsbedarf vor allem beim Breitbandausbau, im Bereich Forschung und Entwicklung und bei der IT-Sicherheit. Im 21. Jahrhundert sollte der Fokus auf Datensouveränität liegen, nicht mehr nur auf Datenschutz. Kempf lobte die Fokussierung der SPD auf die Aus- und Weiterbildung: Hierin liege ein Schlüssel für die Zukunft der deutschen Wirtschaft. In der Energiepolitik plädierte Kempf für technologieoffene und emissionsarme Lösungen, ohne Festlegung auf einen bestimmten Energieträger. Die Finanzierung der Energiewende durch die EEG Umlage müsse dringend reformiert werden. Diese liege auf einem historischen Höchststand, deutlich über dem Börsenstrompreis und sei langfristig nicht finanzierbar. Vor allem mittelständische Unternehmen ohne besondere Ausgleichsregelungen würden dadurch belastet.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz lobte das Wirtschaftsforum als Plattform, um den Wettbewerb der Argumente um den richtigen politischen Kurs zu bestreiten. Schulz sieht in den von Kempf aufgeführten Punkten insgesamt eine hohe Übereinstimmung zu den Vorstellungen der SPD. Angesichts der zunehmenden protektionistischen Tendenzen betonte Schulz die große Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit. Nur gemeinsam könne Europa den Slogans von „America first“ oder auch „China first“ etwas entgegensetzen. Martin Schulz sprach sich für einen europäischen Währungsfonds aus und verdeutlichte damit seine Nähe zur Position vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Der Forderung von Michael Frenzel zu einer Reform des europäischen Haushalts stimmte Schulz zu. Schulz betonte die Notwendigkeit einer deutschlandweiten Investitionsoffensive sowohl in den Zentren als auch in der Fläche – auch hier seien SPD und BDI einer Meinung. Angesichts der Struktur der deutschen Wirtschaft und der digitalen Zukunft sei Qualifizierung und damit das Investieren in Humankapital wichtiger denn je. Schulz sprach sich daher für einen nationalen Bildungspakt und einen Pakt für die duale Ausbildung aus.
In einer anschließenden Podiumsdiskussion tauschten sich Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, der Wirtschaftsweise Prof. Dr. Peter Bofinger und Dr. Peter Bartels, Mitglied der Geschäftsführung der PricewaterhouseCoopers GmbH, aus. In der Runde herrschte Einigkeit über die zentrale Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit für Deutschland als Wirtschaftsstandort. Als Herausforderung wurde die zu große Ungleichheit innerhalb der EU benannt, etwa bei den Löhnen. Dr. Bartels regte an, beim Thema Digitalisierung nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung, sondern vielmehr die „Society 5.0“ in den Blick zu nehmen. Auch er bekräftigte die Bedeutung von Qualifizierung und lobte den Vorschlag der SPD zum Umbau der Bundesagentur für Arbeit. Die Runde diskutiert auch über die Notwendigkeit von Investitionen. Dr. Bartels sieht in Deutschland ein Investitionsdefizit gegeben, insbesondere bei Sachinvestitionen und immateriellen Investitionen wie der Bildung. Prof. Bofinger stimmte dem zu, er sieht vor allem in der Spitzenforschung Nachholbedarf und attestierte: „Die schwarze Null ist ein Zeichen für Inkompetenz in der Wirtschaftspolitik.“
Der Ausklang der Jahreskonferenz des Wirtschaftsforums fand auf den Terrassen des Humboldt-Forums statt. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel eröffnete den informellen Teil des Abends. Mit dem Wirtschaftsforum der SPD sei es gelungen, eine Leerstelle zu füllen und eine zeitgemäße Dialogplattform zu schaffen, so der Minister.
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