Über die verbraucherschutzpolitische Agenda der Bundesregierung haben VertreterInnen der Bundesregierung und Opposition am Abend des 30. Januar 2020 bei einer öffentlichen Diskussionsrunde des Fachforums Handel und Konsumgüter des Wirtschaftsforums der SPD e.V. debattiert. Nach Impulsen von Matthias Machnig, Vizepräsident des Wirtschaftsforums der SPD, und Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, diskutierten Rita Hagl-Kehl, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Tabea Rößner, Sprecherin für Netzpolitik und Verbraucherschutz der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sebastian Steineke, Verbraucherpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Katharina Willkomm, Sprecherin für Verbraucherschutz der Freien Demokraten im Bundestag. Rund 50 Gäste verfolgten im Haus des Handels die profunde Diskussion über Themen wie Musterfeststellungsklage, Rechtsschutz und Lebensmittelkennzeichnung. Emilie Bourgoin, Leiterin des Fachforums Handels und Konsumgüter, moderierte.
Matthias Machnig, Vizepräsident des Wirtschaftsforums der SPD e.V., bezeichnete Verbraucherschutz als „eines der am stärksten unterschätzten Themen“. Nachhaltigkeit, Produktion, Lieferketten, Datensicherheit und CO2-Footprint würden im öffentlichen Diskurs absehbar eine größere Rolle spielen. „Wir müssen uns fragen, wie wir es schaffen, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen und ihre berechtigten Interessen zu wahren, ohne überzuregulieren. Dieser Zielkonflikt wird in den nächsten Jahren weiter bestehen. Wir müssen uns gemeinsam darum bemühen, ihn zu lösen.“ Auch wenn beim Thema Verbraucherschutz schon viele Punkte aus dem Koalitionsvertrag abgearbeitet seien, dürfe sich die Bundesregierung darauf nicht ausruhen, mahnte er: „Das Denken darf nicht bei Koalitionsverträgen aufhören.“
Rita Hagl-Kehl, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, betonte, die Bundesregierung habe viele Vorhaben zum Verbraucherschutz bereits umgesetzt. „Das Leben von Verbraucherinnen und Verbrauchern gerechter und gleichberechtigter zu gestalten, ist mein Motor und Kompass als Verbraucherpolitikerin. Mit der Musterfeststellungsklage, dem Projekt der fairen Verbraucherverträge sowie den Verbesserungen im Bereich Mieten und Wohnen haben wir in dieser Legislaturperiode schon wichtige Impulse gesetzt. Wir setzen uns aber weiter für gleiche Chancen, mehr Gleichberechtigung und faire Bedingungen in allen Bereichen des (digitalen) Verbraucheralltags ein. Wir haben noch viel vor.“
Auch Sebastian Steineke, Verbraucherpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, verwies auf die bisherige Arbeit der Bundesregierung. „Wir haben mit dieser Koalition im Bereich Verbraucherschutz schon einiges gemeinsam auf den Weg gebracht. Ich denke da unter anderem an die langen Verhandlungen zur Musterfeststellungsklage, die wir letztlich rechtzeitig zum Erfolg geführt haben, oder an die finanzielle Verstetigung der Marktwächter. Es gibt aber noch viel zu tun. Wir werden zum Beispiel noch darüber beraten, wie man überhöhte Inkassokosten reduzieren kann. Nach der Thomas Cook-Pleite gibt es zudem dringenden Handlungsbedarf im Pauschalreiserecht. Ich bin zuversichtlich, dass wir diese und andere Punkte noch gemeinsam lösen werden.“
Tabea Rößner, Sprecherin für Netzpolitik und Verbraucherschutz der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, kritisierte, das Bundesjustizministerium habe „seit der Musterfeststellungsklage nichts mehr auf den Weg gebracht“. Es bestehe weiterhin Handlungsbedarf: „Es kostet die Verbraucherinnen und Verbraucher unnötig viel Zeit und Mühe, online Verträge zu kündigen. Und das, obwohl das Abschließen eines Vertrages online oft nur eines einzigen Klicks bedarf. Wir fordern: Wer sich unkompliziert in einen Vertrag reinklicken kann, muss sich auch unkompliziert wieder rausklicken können. Unternehmen sollten ihre Kundinnen und Kunden durch eine gute Leistung von einer Fortsetzung ihrer Vertragsbeziehung überzeugen – nicht durch umständliche Kündigungswege. Für die Bundesregierung ist dieses Problem im elektronischen Geschäftsverkehr ein komplett blinder Fleck.“
Katharina Willkomm, Sprecherin für Verbraucherschutz der Freien Demokraten im Bundestag, sah insbesondere beim Thema Legal Tech Nachholbedarf. „Verbraucherschutz in Deutschland ist bereits auf sehr hohem Niveau. Neuer Handlungsbedarf, aber auch Rechtsschutzmöglichkeiten ergeben sich durch die Digitalisierung. Der New Deal for Consumers muss umgesetzt, der angekündigte EU-Digital Services Act mitgestaltet und das Produkthaftungsrecht modernisiert werden. Den besten Verbraucherschutz schafft guter Wettbewerb, deshalb ist die Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wichtig. Weiter muss die Musterfeststellungsklage verbessert, das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz verlängert werden. Je komplexer die Welt, desto wichtiger wird Verbraucherbildung. Kleinstteilige Maßnahmen wie das Gesetz für faire Verbraucherverträge wollen das Gute, stärken vor allem Bürokratie.“
Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschlands, betonte: „Bei der anstehenden Umsetzung der neuen verbraucherpolitischen Richtlinien der EU warnt der HDE davor, über die europäischen Vorgaben hinauszugehen und damit bestehende funktionierende und angemessene Verbraucherschutzmechanismen in Deutschland zu gefährden. Die mit der Warenhandels-Richtlinie verbundene Erweiterung der Gewährleistungsrechte genügt nach einer Verbraucherbefragung des Instituts Allensbach den Erwartungen der Konsumenten vollständig. Weitergehende Regelungen hätten tendenziell negative Auswirkungen auf die Verbraucherpreise. Bei den neuen Vorgaben für die Verbraucherrechtsdurchsetzung des New Deal for Consumers sind öffentlich-rechtliche Durchsetzungsinstrumente auf nationaler Ebene unbedingt zu vermeiden, weil sie das funktionierende und effiziente deutsche System der privaten Rechtsdurchsetzung beeinträchtigen würden.“
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