Neben der Energie- und Mobilitätswende spielt die Wärmewende und ihre Bedeutung für das Erreichen der Klimaschutzziele in der öffentlichen Debatte oft nur eine Nebenrolle. Dabei fällt gut die Hälfte der in Deutschland verbrauchten Energie für die Erzeugung von Wärme und Kälte an – das Einsparpotential ist also enorm.
Durch den CO2-Preis auf klimaschädliche Wärmequellen versucht die Bundesregierung, die Wärmewende voranzutreiben. Gerade bei Mietwohnungen sorgen die Zusatzkosten jedoch für politische Debatten: Wie sollen die Kosten zwischen Mieterinnen und Mietern und Vermieterinnen und Vermietern aufgeteilt werden? Wie lassen sich klima- und wohnungspolitische Ziele in Einklang bringen und wie kann sozialverträglicher Klimaschutz gelingen?
Wir nahmen diese aktuellen Debatten zum Anlass, um mit spannenden Gästen aus Politik und Wirtschaft über die Umsetzung und Finanzierung der Wärmewende zu diskutieren.
Nach der Begrüßung durch unseren Schatzmeister Heiko Kretschmer moderierte Fachforenleiter Andreas Breitner das Gespräch. Die erste Frage, die er an den Bundestagsabgeordneten und Energie-Experten Timon Gremmels richtete, bezog sich auf die tags zuvor veröffentlichte Klimabilanz der Bundesregierung für 2020. Diese konstatiert, dass alle Sektoren bis auf den Gebäudebereich ihre Ziele zur CO2-Einsparung in 2020 erreichen konnten. Timon Gremmels lobte zunächst die Klimabilanz als solche, die es endlich möglich macht, sektorengenau nachzuvollziehen, wo weiter Handlungsbedarf besteht. Im Gebäudebereich konnten die politischen Maßnahmen, die erst im späteren Verlauf der Legislatur beschlossen wurden, noch nicht ihre volle Wirkung entfalten, etwa der CO2-Preis, so Gremmels. Bezüglich der Kostenverteilung des CO2-Preises zeichnet sich eine Kompromisslösung ab, die den Sanierungszustand des Gebäudes mit einbezieht und die somit sowohl fair ist als auch die nötige Lenkungswirkung hat. Gremmels verwies noch einmal auf die ordnungspolitischen Regelungen (z.B. das Gebäudeenergiegesetz) und die finanziellen Anreize (die Bundesförderung für energetische Sanierungen wurden von 2 auf 8 Milliarden aufgestockt), die die Bundesregierung im Gebäudebereich verabschiedet hat.
Dr. Thomas Krebs, Vorstandssprecher der SAGA-Unternehmensgruppe, vertrat in der Diskussion Hamburgs größten Vermieter. Er machte auf den zentralen Zielkonflikt aufmerksam, der die gesamte Wohnungswirtschaft beschäftigt: Wie gelingt es, die Klimaziele zu erreichen und die Wohnungen bezahlbar zu halten? Aus seiner Sicht ist der einzige Weg zur Zielerreichung der, den Fokus weg vom einzelnen Gebäude zu nehmen und ihn stattdessen auf klimafreundliche Wärmeversorgung, Energieversorgung und Mobilität im Quartier zu richten. Langfristig sei es sogar noch effizienter, nicht beim Quartier zu enden sondern in eine Flottenverbrauchslogik zu kommen, die über Eigentümergrenzen hinweg Einsparpotentiale nutzt. Um dies zu ermöglichen, bräuchte es jedoch eine andere Förder- und Finanzierungslogik. Krebs führte ebenfalls aus, dass eine Null-Emissions-Politik im Gebäudebereich nicht realistisch sei, sondern die Klimaziele nur über Bilanzierungslösungen zu erreichen sind.
Zustimmung zum Ansatz der Hamburger SAGA gab es von Burkhard Drescher aus Bottrop. Drescher ist Sprecher der Geschäftsführung der Innovation City Management GmbH. Sein Unternehmen arbeitet seit 2010 daran, das Modellprojekt „Klimastadt der Zukunft“ in Bottrop umzusetzen und berät mittlerweile deutschlandweit zum energieeffizienten Stadtumbau. In Bottrop setze man auf eine Energie-, Mobilitäts- und Wärmewende „von unten“, die Bürgerinnen und Bürger der Kernstadt wurden intensiv in die Umsetzung mit einbezogen und halfen mit, erfolgsversprechende Konzepte zu entwickeln. Durch ergänzende Maßnahmen wie Themenabende im Quartier oder eine Haus-zu-Haus-Energieberatung gelang es, die jährliche Modernisierungsquote auf drei Prozent zu erhöhen. Drescher schätzte die bestehenden Bundesförderprogramme zur energetischen Modernisierung als zu bürokratisch und komplex ein, weshalb man in Bottrop auf ein erfolgreiches eigenes Programm setzt. Aus Dreschers Sicht ist der Fokus aufs Quartier zwingend erforderlich, um die Wärmewende zu vollziehen: Durch reine Sanierungsmaßnahmen am Gebäude wären die Kosten viel zu hoch, insbesondere im Mietwohnungsbau. Deutliche Potentiale sieht Drescher beim Mieterstrom, der administrativ dringend besser gefördert werden sollte.
Dr. Verena Faber von der Wärme Hamburg GmbH berichtete aus der Sicht eines kommunalen Wärmeversorgers, der das ambitionierte Ziel verfolgt, die Wärmeerzeugung in Hamburg komplett CO2-neutral umzugestalten. Dazu setzt das Unternehmen insbesondere auf Fernwärme, die heute eher modular und nicht mehr „klassisch“ in großen Kraftwerken erzeugt wird. Faber zeigte sich zufrieden mit der KWK-Gesetzesnovelle aus dem letzten Jahr, leider gebe es jedoch auf europäischer Ebene noch einige Hürden zu nehmen. Auf das angekündigte Bundesförderprogramm für effiziente Wärmenetz (BEW) wartet die Wärme Hamburg gespannt.
Aus Sicht von Dr. Malaika Ahlers, Rechtsanwältin bei der u.a. auf Energierecht spezialisierten Kanzlei Becker, Büttner, Held in Berlin liegt ein Hauptproblem zur Umsetzung der Wärmewende im uneinheitlichen Rechtsrahmen. Die verschiedenen Gesetze, die die Umsetzung regeln oder berühren, sind nicht ausreichend aufeinander abgestimmt und verfolgen teilweise auch unterschiedliche Förderrichtungen, so Ahlers. Die Rechtsanwältin thematisierte außerdem die beiden unterschiedlichen Verständnisse des Begriffs „Quartier“, die in der aktuellen Gesetzgebung nebeneinander stehen. Während das Gebäudeenergiegesetz (GEG) hauptsächlich die Wärmeversorgung in den Blick nimmt, fokussiert das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf die Stromversorgung. Der Begriff „Quartier“ wird einmal als „Ensemble“ verstanden, einmal als „unmittelbarer räumlicher Zusammenhang“.
Eine fehlende, klare Quartiers-Definition und die damit einhergehenden Schwierigkeiten waren dann auch Thema der anschließenden Diskussion mit den Gästen der Veranstaltung. Einigkeit herrschte darüber, dass das Quartier der Schlüssel zur erfolgreichen Wärmewende ist.
Verlorene Potentiale sah ein Gast bei der Nutzung industrieller Abwärme für die Wärmeversorgung. Es sei bedauerlich, dass diese Abwärme rechtlich nicht den gleichen Status habe wie Erneuerbare Energie, hier müsse das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) entsprechend nachgebessert werden. Auch der Mieterstrom beschäftigte die Runde. Timon Gremmels hätte sich hier ein stärkeres Bekenntnis des Koalitionspartners gewünscht und hofft, dass es in dieser Legislaturperiode noch zu einer Regelung hinsichtlich der Gewerbesteuer kommt. Auch das serielle Sanieren müsse seitens der Politik stärker unterstützt werden, so eine weitere Anregung aus der Runde.
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