Unser Fachforum Finanzen und Kapitalmarkt fordert, dass die Bundesregierung stärker für den Finanzplatz Deutschland kämpft. Es muss einen attraktiven regulatorischen und ordnungspolitischen Rahmen geben, der die deutsche Finanzmetropole im internationalen Wettbewerb nicht benachteiligt.

Seitdem sich die Briten für den Brexit entschieden haben, kämpft Frankreich um die Ansiedlung von Banken und Bankern in Paris. Das ist für Präsident Macron Chefsache. Von der Bundesregierung gibt es bisher nur leidenschaftslose Willensbekundungen, den Standort für Finanzinstitute attraktiver zu gestalten.

Das ist zu wenig, denn es geht um zu viel: Nur ein attraktiver und stabiler Finanzplatz Frankfurt hat ernsthaft Chancen, den Banken in London ein gesundes Wettbewerbsumfeld zu schaffen, wo sie sich ansiedeln wollen. Immerhin verlieren mit dem Brexit sämtliche in London agierenden Banken ihren EU-Pass und müssen sich umorientieren, wenn sie weiterhin innereuropäische Geschäfte machen wollen. Mit dem Umzug werden Tausende Arbeitsplätze neu verteilt – mit durchaus spürbaren Folgen für die Einkommen- und Körperschaftssteuer-Einnahmen, aber auch die Kaufkraftentwicklung in der Region.

Allein aus diesem Grund muss eine starke Finanzmetropole Frankfurt von Interesse sein und braucht die volle Unterstützung der Politik. Denn bei allem Optimismus, dass Frankfurt „im Rennen um die Banken eine Pole-Position“ habe, darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass die Mainmetrople im globalen Wettbewerb in den vergangenen Jahren Boden verloren hat. Und andere Finanzplätze wie Amsterdam, Luxemburg, Dublin und – vor allem – Paris suchen aktiv den Wettbewerb und werden politisch deutlich stärker und früher promotet.

Dabei ist der hiesige Kapitalmarkt nicht so entwickelt, wie es der Wirtschaftskraft Deutschlands entspricht. Noch immer werden Kapitalimporteure wie Private Equity pauschal als Heuschrecken verunglimpft. Noch immer fehlt eine tragende Aktienkultur in der Mitte der Gesellschaft. Noch immer sind in Deutschland zu wenige Unternehmen an der Börse gelistet, da der Zugang zum Kapitalmarkt nur über große Hürden möglich und im Vergleich zu vielen anderen Standorten in Deutschland das gerade für junge Unternehmen und Startups so wichtige Venture Capital weit unterentwickelt ist.

Von europäischer Seite stehen weitere Entscheidungen an: Nachdem Deutschland das Rennen um die EBA gegen Frankreich verloren hat, muss Frankfurt nun das Rennen gegen Paris beim Euroclearing gewinnen. Seit der Finanzkrise wird die Mehrheit der Zinsderivate im Londoner Clearinghaus abgewickelt. Das LCH ist eine zentrale Risikomanagementstelle, die Ausfälle und weitere Risiken im Finanzmarkt minimiert. Rund 96% der Euro-denominierten Zinsderivate werden momentan in London gecleart. Nach dem Brexit wird somit ein für den Euro höchst systemrelevantes Clearinghaus außerhalb der EU-27 bestehen, ohne über effektive aufsichtsrechtliche Eingriffsmöglichkeiten zu verfügen. Schlimmstenfalls würden sogar deutsche Steuergelder eingesetzt, um das Clearinghaus in London zu stabilisieren. Hier muss jedoch das Prinzip gelten, dass Risiko- und Haftungsverantwortung verbunden sind.

Die Bundesregierung ist gut beraten, wenn sie sich zum einen grundsätzlich für eine zentralisierte Euro-Clearingstelle in der EU stark macht und damit jedem fragwürdigen Wettbewerb von nationalen Clearingstellen eine Absage erteilt. Zum anderen muss die Bundesregierung konsequent und vehement für den Ausbau Frankfurts als Zentrum für die europäische Finanzstabilität werben. Mit Institutionen wie der EZB, der zentralen europäischen Bankenaufsicht (SSM), der Versicherungsaufsicht (EIOPA), dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) und zentralen Systemen wie TARGET2 und TARGET2-Securities ist Frankfurt bereits jetzt zentraler Ort des Geschehens. Eine Entscheidung gegen die Main-Metropole aufgrund des intensiven Werbens der Konkurrenz wäre für die europäische Finanzstabilität ein falsches Signal und im Zuge der Folgen des Brexits für Frankfurt eine vertane Großchance für Europa.

Denn vieles spricht für die Ansiedlung: Das zuletzt durchschnittlich geclearte Volumen an Euro-denominierten Zinsderivaten hat sich hierzulande im Vergleich zum Vorjahr versechsfacht und zeigt, dass in Frankfurt auf Initiative der Deutschen Börse bereits ein alternativer – und in der EU-27 einziger – Standort zu London entstanden ist. In der jüngeren Vergangenheit sind damit alle rechtlichen und technischen Voraussetzungen für ein liquides und effizientes Clearing von Euro-denominierten Zinsderivaten gegeben: Notwendige Zulassungen für börsliche wie auch außer-börsliche Zinsderivate, Expertise, Anbindung zentraler internationaler Marktteilnehmer und skalierbare Systeme, um entsprechende Volumina im Falle einer Verlagerung des Euroclearings abzuwickeln.

Nicht nur in Bezug auf den Finanzstandort ist eine andere Politik als bisher gefragt. Denn die immer schneller fortschreitende technologische Entwicklung zwingt etablierte Geschäftsmodelle auf den Prüfstand. Plattformanbieter setzen die Finanzbranche unter erheblichen Veränderungsdruck. Die Big Four „GAFA“ geben die Marschroute vor: Bei Google erlauben gläserne Nutzer bei Payment und Banking zielgenaue Werbung, Amazon entwickelt sich vom E-Commerce-Riesen auch zum FinTech-Riesen, für Facebook ist Payment Kommunikation und Kommunikation Payment, Apple Pay schließlich ist bereits auf Platz 5 der Online-Bezahlverfahren. Die nationalen „Platzhirsche“ der Finanzindustrie gehen neue Wege und schließen selbst strategische Partnerschaften. Um gegenüber den Tech-Giganten aufzuholen, sollen für den digitalisierten Kunden sichere und nutzerfreundliche Vertrauensplattformen für Identitätsdienste und Zahlungen geschaffen werden.

Damit dies auch national umsetzbar ist, muss daher für einen wettbewerbsfähigen Finanzplatz Deutschland auch die bisherige Regulatorik im internationalen Kontext einer Revision unterzogen werden. Diese darf kein Selbstzweck werden, der am Ende als Wettbewerbsnachteil unsere Institute belastet, statt Verbraucher zu schützen. Wir dürfen nicht den Fehler machen, dass unsere Finanzindustrie in angelsächsische Hände fällt.

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